Das mittlerweile eröffnete Museum. Foto: Daniel Zakharov

Das mittlerweile eröffnete Museum. Foto: Daniel Zakharov

 

 

 

Markus Schaden ist Fotobuchvermittler und Initiator des ersten Fotobuchmuseums in Köln.
Dieses Interview wurde im Frühsommer geführt und ist in der aktuellen Ausgabe des Brennpunkt erschienen (3/2014)

Jens Pepper: Man liest und hört gerade viel über Dein aktuellstes Projekt, das PhotoBookMuseum. Was hat Dich, der du dich als Fotobuchhändler, Verleger, Kurator und Dozent wie kaum jemand sonst in Deutschland für das Fotobuch einsetzt, dazu bewogen, nun auch noch ein Museum für Fotobücher zu gründen?

Markus Schaden: Nach all den Jahren im Fotobuchgeschäft war die Entscheidung ein Fotobuch-Museum aufzubauen der finale Schritt dem Medium Buch innerhalb der Fotografie Tribut zu zollen. Öffentlich und mit der Mission neues Publikum dafür zu begeistern. Es braucht mehr Fotobuchkultur.

Jens Pepper: Was ist für Dich eine Fotobuchkultur? Was muss sich hier verändern?

Markus Schaden: Eine bessere Fotobuchkultur zu fördern und zu entwickeln heißt für mich, dass Fotobücher mehr Aufmerksamkeit im Feuilleton erhalten, dass Fotobücher eine bessere Akzeptanz innerhalb der Fotografie als autonome Form erlangen, dass es eine Art Ausbildung gibt, um gute Fotobücher kreieren zu können, sowohl für Fotografen, Editoren, Gestalter und auch Rezensenten, und natürlich die Förderung einer visuellen Bildlesekultur.

Jens Pepper: Viele Punkte, bei denen man nachhaken kann. Gibt es denn keine visuelle Bildlesekultur? Wir werden doch täglich vollgeschüttet mit Bildprodukten. Und wenn ich mir, nur als Beispiel, den Zeitschriftenmarkt ansehe, dann habe ich den Eindruck, dass wir gerade eine Renaissance der fotolastigen, gut gestalteten Hefte erleben.

Markus Schaden: Zur Lesekultur: es ist letztlich dasselbe wie bei der geschriebenen Kultur. Nicht jeder der den Stern lesen kann, ist auch in der Lage James Joyce Ulysses zu lesen und zu verstehen. Dasselbe gilt auch für ein Fotobuch wie beispielsweise Robert Franks „The Americans“ . Bilder schauen und zu verstehen ist anspruchsvoll. Dazu braucht es natürlich auch eine Art von Bild- bzw. Foto-Leseerfahrung. Und die lernt man leider nicht in der Schule. Also muss man das langsam aufbauen. Und zur Renaissance: klar, es gibt einen enormen Boom. Fotografie und das Fotografieren stehen hoch im Kurs. Von privat bis zu museal. Aber das heißt nicht automatisch eine Qualitätsverbesserung der Bildkultur.

Jens Pepper: Wie würdest du denn vorgehen, also pädagogisch. Wie schult man ein Publikum in Bildlesefähigkeit, und ganz allgemein im Umgang mit Bildern?

Markus Schaden: Der Umgang mit Fotos sollte möglichst früh im Leben beginnen. Schon in der Schule sollten Lehrpläne dies berücksichtigen. Dann geht’s weiter an der Uni. Und dazu braucht es natürlich Lehrer, Eltern usw. die Bildleseerfahrung und Kommunikationserfahrung haben. Man muss über Fotos sprechen können. Da gibt es noch richtig viel zu tun. Kurz gesagt: man sollte einfach viel gutes Material sehen. Das schult das Auge. Mir gefällt Wolfgang Tillmans Zitat „Pictures are replacing words as messages“. Das ist die Zukunft.

Jens Pepper: Kann Dein Photobuchmuseum beim Umgang mit Fotos, beim Lehren einer Leseerfahrung einen Beitrag leisten?

Markus Schaden: Ich hoffe doch. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Umgang mit und das Verständnis von Fotos steigt, je mehr jemand gesehen und darüber reflektiert und kommuniziert hat. Das PhotoBookMuseum möchte die Leute begeistern und zum “ Lesen“ anregen!

Jens Pepper: Erzähle mir von deiner Idee zu diesem Museum, und wie es konzipiert ist.

Markus Schaden: Die Idee hat sich ja aus dem ganzen Schaden.com-Kosmos heraus entwickelt. Wir haben uns immer neue Dinge – z.B. die PhotobookMasterClass und die PhotoBookStudies – ausgedacht, um die Dinge verständlicher zu machen und nach vorne zu treiben. Als der Fotobuchhandel wegen Strukturschwierigkeiten immer schwieriger wurde, wollte ich auf diesem Feld nicht mehr weiter machen. Zu dieser Zeit besuchte mich Julien Frydman, Chef der ParisPhoto, in Köln … und nachts auf dem Bürosofa sagte er dann plötzlich: „Schaden, du bist durch deine bisherige Arbeit ja schon so was wie eine Institution in Sachen Fotobuchvermittlung, also mach auch eine offizielle daraus!“ Nach ein paar Monaten war mir, meinen Kollegen und Freunden dann klar: Es braucht ein Museum. Und dann haben wir das ein Jahr lang entwickelt.

Jens Pepper: Und wohin hat euch die Projektentwicklung nun geführt? Wie stelle ich mir ein lebhaftes Photobuchmuseum vor, dass nicht nur Aufbewahrungsort, also Bibliothek ist?

Markus Schaden: Wir haben unterschiedliche Aspekte im Portfolio. Wir zeigen historische Aspekte, präsentieren in BookShows zeitgenössische Fotografen, bieten PhotoBookStudies und Collection-Profiles an, zeigen also, wie man Fotobücher sammeln kann. Und dann wird es ein paar Großprojekte geben, an denen man die Komplexität und die Wirkungsgeschichte nachverfolgen kann. Das alles, also der von uns so genannte Parcour, wird mit einem Manifest enden . Wir erarbeiten so viel neue Lösungen wie möglich, um Fotobücher zu zeigen und zu erklären. Und dabei wollen wir die Objekte nicht nur in eine Vitrine legen. Das ist Oldschool. Wir lieben die Aura des Originals, aber nicht ausschließlich. Zum Beispiel haben wir das CAFE LEHMITZ von Anders Petersen aus seinem Buch und seinen Fotos rekonstruiert und bauen es 1:1 wieder auf … in Schwarz/Weiß und mit eigenem Bar-Betrieb. Das ist dann ein gelebtes Fotobuch. Und wir werden einen speziellen Skateboard Container mit Rampe zum Skaten draußen aufstellen. Dieses Teil wird gestaltet und kuratiert von Skateboard-Fotografen-Legende Ed Templeton. Und so geht es weiter. Da wird es noch sehr viel mehr geben.

Jens Pepper: Ok, also ist das Museum als festes Gebäude mit Bibliothek und Showfläche nur ein Teilaspekt eines künftigen PhotoBookMuseums. Euch kommt es vor allem darauf an, durch Aktivitäten Menschen auf die Materie Fotobuch zu stoßen und so einen neuen Zugang zu diesem Thema zu eröffnen. Ihr fangt jetzt erst einmal mit Einzelprojekten an, die in Containern zu sehen sein werden, in dem real Bücher zu sehen sein werden, präsentiert auf ganz verschiedene Arten. Und diese Container gehen dann auch auf Reisen. Ein reales, festes Gebäude ist die Zukunft.

Markus Schaden: Genau. Stufe eins heißt: Es gibt einen Prototypen. Der wird ab August auf der Expo im Kölner Carlswerk präsentiert, und wenn die dann vorbei ist, wird der Prototyp in 14 Schiffscontainer verpackt auf Reisen gehen, zu Festivals, in andere Museen, etc. Mobilität ist hier unser Credo! Dazu wollen wir eine Online-Version der Präsentation aus dem Carlswerk anbieten. Da kann dann jeder noch mal durchs Museum gehen. Und langfristig suchen wir natürlich nach einer dauerhaften Residenz. Wo auch immer die sein wird. Wir wollen uns aber die Zeit nehmen das PhotoBookMuseum bis dahin möglichst oft irgendwo zu zeigen und vielleicht Leute zu inspirieren ähnliches zu tun. Der Aufbau, der Ankauf einer eigener Sammlung oder mehrerer steht natürlich auch auf dem Plan. Dafür brauchen wir aber Zeit. Es gibt also viel zu tun !

Jens Pepper: Was wird von euch auf der Expo im Carlswerk, die von der PhotoSzene Köln präsentiert wird, zu sehen sein? Der Lehmitz-Nachbau, der Scater-Container. Was noch?

Markus Schaden: Es gibt fünf Studies zu sehen geben, ein von mir entwickelter neuer Zugang zum Fotobuch. Eine Studie ist eine Art visuelle Sekundärliteratur zu einem Fotobuch. Auf Stellwänden werden Fotos, Buchseiten, anderes Bildmaterial grafisch in Zusammenhang gesetzt und mit schriftlichen Anmerkungen ergänzt. Diese Studies veranschaulichen, in welchem künstlerischen, historischen und gesellschaftlichen Umfeld das vorgestellte Fotobuch entstanden ist. Und durch welche Ereignisse, Entwicklungen und Personen der Autor in seiner Arbeit beeinflusst worden ist. Ein Buch, das wir so präsentieren ist Ed van der Elskens „Liebe in Saint-Germain des Prés“. Außerdem gibt es noch Studies zu Büchern von Stephen Shore, Todd Hido und Daido Moriyama. Weiterhin zeigen wir ca. 28 Ausstellungen rund um das Thema Fotobuch, um so die stilistische und inhaltliche Vielfalt internationaler Fotobücher darstellen zu können. Es gibt historische Übersichten. Zum Beispiel präsentiert Martin Parr eine Sammlung wichtiger Fotobücher zum Thema Protest. Und es gibt einen Fokus auf aktuelle Fotobücher. Wir zeigen unter anderem Bücher von Christina de Middel, Oliver Sieber, Stephen Gill, Hans-Jürgen Raabe, Deanne & Ed Templeton, Ali Taptik, Carolyn Drake und Andrea Diefenbach usw.. Etwas das ich auch auf der Expo zur Diskussion stellen will, ist meine These, dass es einen Paradigmenwechsel in der Fotografie gibt. Das Fotobuch hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einer eigenständigen Kunstform entwickelt, die immer mehr Sammler findet. Ich zitiere mich mal selbst aus unserem Flyer: „Eine junge Generation von Fotografen, Kuratoren, Historikern, Sammlern und Verlegern schätzt das Fotobuch als eine Art visuelles Esperanto. Kein Fotofestival ist inzwischen mehr ohne eine Sektion für Fotobücher denkbar. Auch von den Museen wird der Paradigmenwechsel zunehmend akzeptiert. Bedeutende Häuser wie die Londoner Tate Modern und das Museum of Fine Art in Houston erwerben Fotobuchsammlungen, um der gegenwärtigen Entwicklung visueller Kultur Rechnung zu tragen.“ Ja, und genau hier will ich mit dem PhotoBookMuseum ansetzen.

Jens Pepper: Das alles zu organisieren kostet Geld und Zeit. Welche Unterstützung hast du, wie groß ist dein Team?

Markus Schaden: Also, mir liegt es erst mal am Herzen, dass wir das alles aufbauen können und dann auch weiterentwickeln. Wir haben Erfahrung, aber natürlich können wir auch nicht alles von vorneherein wissen. So ist die auf der Expo gezeigte Präsentation auch erst mal ein Protyp bzw. ein Proposal, eine Idee. Wir nennen sie Edition. Und diese zu gestalten ist der erste Schritt. Dazu kommt, das wir das alles nur privat und mit Crowdfunding stemmen müssen. Wenn es uns gelingt Leute mit Geld, andere Stiftungen oder wen auch immer zu überzeugen, uns Geld zu geben, dann können wir natürlich mehr entwickeln. Die Ideenkiste ist groß!

Jens Pepper: Wie ist die bisherige Resonanz auf euer Projekt? Wird es bereits außerhalb der Fotografie-Szene wahrgenommen? Denn diesen Personenkreis wollt ihr ja gerade auch erreichen.

Markus Schaden: Sehr, sehr gut …. wenn man diese neuen Leute erreicht. Das aber ist nicht einfach, man braucht Geduld und muss langsam ein neues Netzwerk aufbauen. Wir machen ein tolles Chargesheimer Projekt mit der Photoszene in Köln zur Eröffnung der Expo und hoffen, dass da viele Leute mitmachen. Das ist dann Chargesheimer Reloaded. Ich hoffe natürlich auch auf Presse und Resonanz, wenn das Ding mal da steht.

Jens Pepper : Wie sieht die Kooperation mit den Fotografen oder Rechtsnachfolgern aus? Geben die euch freie Hand?

Markus Schaden: Bis jetzt ist alles ok. Wir versuchen so gut wie möglich zusammenzuarbeiten. Das ist kein Problem bei den Zeitgenossen, zumindest meistens. Grundsätzlich ist zu sagen: Wenn wir Bücher ausstellen …, besser: gegen das Auseinandernehmen eines Buches kann ja erst mal keiner was sagen. Das ist ein interessantes Feld. Wenn man Foto-Originale besitzt, dann darf man damit ja auch Ausstellungen machen und ein Plakat dazu. Das was wir machen, hat bis jetzt halt kaum jemand gemacht!

Jens Pepper: Also leistet ihr im wahrsten Sinne Pionierarbeit in Sachen Fotobuchvermittlung und Präsentation von Fotografie mittels Präsentation von Büchern, in denen diese abgebildet sind.

Markus Schaden: So kann man‘s sagen. Schwierig aber spannend, diese neuen Wege! Das Feld ist noch nicht wirklich beackert .Das gibt uns aber auch viele Möglichkeiten, um neue Ideen einfach mal auszuprobieren. Wir haben aber auch gute Partner. Die Halle wird von der BEOS AG gesponsert. Der Kettler Verlag druckt uns nahezu alles für gesponsert. Und Kummer und Herrman sind eine wunderbare Agentur und haben ein tolles Corporate Design entworfen.Und dann gibt es noch viele gute andere Unterstützer.

Jens Pepper: Gibt es eigentlich schon Fotobuchmuseen?
Markus Schaden: Nein, bisher kein einziges.

Christian Reiser - Photo by Pepper

Markus Schaden ist einer der profiliertesten Fotobuchkenner Deutschlands. Er war Fotobuchhändler und -verleger, arbeitet als Dozent und kümmert sich derzeit vor allem um die Etablierung des PhotoBookMuseums.

www.thephotobookmuseum.com

Foto: © Thekla Ehling