Anfang 2013 wurde dem Fotografen William Eggleston in New York der Prozess gemacht. Kläger war der Bankier Jonathan Sobel, der 192 Vintage-Prints des Fotografen besaß, unter anderem bedeutende, im Dye-Transfer-Verfahren hergestellte Aufnahmen früher Werkphasen. Zum damaligen Zeitpunkt bereits eine millionenschwere Sammlung. Ursache der Auseinandersetzung war, dass Eggleston in Zusammenarbeit mit dem Auktionshaus Christie’s insgesamt 36 seiner inzwischen klassischen analogen Fotografien neu interpretierte, indem er sie digital in einem größerem Format neu herstellte. Und das, obwohl er die ursprünglichen und schon lange ausverkauften Prints als Auflage limitiert hatte. Sobel argumentierte, dass Eggleston durch eine Neuauflage sein einstmals gegebenes Versprechen, die Fotografien nur in der seinerzeit festgelegten Höhe zu verkaufen, gebrochen habe, was zu einem Wertverlust seiner Sammlung führen würde. Das Gericht folgte dem Kläger in seiner Argumentation allerdings nicht und sprach Eggleston das Recht zu, alte Arbeiten neu auflegen zu dürfen, solange die neuen Prints sich deutlich von den frühen Originalen unterscheiden.

Dass Fotografien in Auflagen produziert werden ist ein relativ neues Phänomen. Bis zu Beginn der 1970er Jahre wurde die Fotografie nur von wenigen Galeristen, Kuratoren, Sammlern und selbst Fotografen als sammelnswerte Kunstform angesehen. Ein Markt für Fotografie war fast nicht existent, was aber nicht bedeutet, dass Fotos zuvor überhaupt nicht gekauft und gesammelt wurden. Einige Fotografen waren derart gefragt, dass sie im Lauf ihres Lebens begehrte Motive in großen Mengen herstellten und als Originale signierten. Ansel Adams beispielsweise produzierte von seinem Motiv „Moonrise, Hernandez, New Mexico“ von 1941 mehr als 1.300 Abzüge. Einer dieser Prints erzielte bei der Sotheby’s-Auktion vom 17. Oktober 2006 einen Preis von $609.600,-. Trotz hoher Auflage sind heutige Sammler also bereit riesige Summen für gute und wichtige Fotografien auszugeben. Große Stückzahlen mindern keineswegs ihren Wert. Folglich ist festzuhalten, dass die seit rund vierzig Jahren verbreitete Gepflogenheit, Fotografien mittels Auflagen zu limitieren, ein reines Marktinstrument ist, auf dessen Anwendung sich die Fotografen, Händler und Sammler geeinigt haben. Es gibt nur wenige Fotografen im Kunstbetrieb, die sich dieser künstlichen Verknappung ihrer Arbeit wiedersetzen, wie beispielsweise Nobuyoshi Araki.

Was lässt sich jungen Fotografen raten, die neu in den Kunstmarkt eintreten und vor der Entscheidung stehen, wie sie ihre Bilder – neben einer Verwendung in Print- und Onlinemedien – als Originalwerk anbieten möchten. Die auf Kunstrecht spezialisierte Rechtsanwältin Katharina Garbers-von Boehm fasst die gegenwärtige Problemstellung recht treffend zusammen: „Es ist kein urheberrechtliches Problem, wenn der Fotograf selber gegen seine eigene Auflage verstößt – es sei denn, er hat einem Dritten sämtliche Verwertungsrechte ausschließlich eingeräumt. Es könnte darüber hinaus ein vertragsrechtliches Problem sein, je nachdem was der Fotograf mit seiner Galerie oder Agentur oder direkt mit etwaigen Sammlern vereinbart hat. In jedem Fall macht er sich damit seinen Markt kaputt und verliert an Glaubwürdigkeit.“

Jens Pepper
Dieser Artikel ist erstmals im Triptyk Magazin, Heft 1,  Juni 2014, veröffentlicht worden.