Jens Pepper: Als Fotograf Autodidakt, aber mit einem Abschluss von der Kunsthochschule Weißensee, Theaterfotograf am Berliner Maxim Gorki Theater, Gründungsmitglied der taz ddr, Bildredakteur, u.a. beim Henschel Verlag, noch zu DDR-Zeiten und auch heute noch beim Zeit magazin und noch vieles mehr. Diese Infos habe ich von der Homepage der Ostkreuzschule, wo du als Gastdozent tätig bist. Ein Leben für die Fotografie, anders kann man es nicht beschreiben. Seit ein paar Jahren betreibst du nun auch noch mit mehreren Partnern zusammen die kleine Fotogalerie pavlov’s dog in Berlin Mitte. Wer hatte die Idee zu diesem Ort und gab es mit der Gründung ein klares Konzept für das Programm?
Michael Biedowicz: Die „kleine“ Fotogalerie pavlov’s dog hat einen existierenden Galerieraum übernommen, Anfang 2011 war das. An gleicher Stelle befand sich eine Galerie mit den Namen „Berg 19“, betrieben von der Fotografin Petra Karadimas. Sie hatte eines Tages Nachfolger für Ihren Raum gesucht und dann kamen ganz schnell sechs Kollegen, die sich mehr oder weniger gut kannten, zusammen. Uns verband das Medium Fotografie, wir hatten alle irgendwie damit zu tun, als Fotografen oder Bildredakteure. Wir Gründungsmitglieder wollten zunächst einmal den Ort erhalten und dafür sorgen, dass es mit Ausstellung weitergeht und auch verhindern, dass der Kommerz dort einzieht oder noch ein weiterer Späti aufmacht.
Nach den ersten Zusammenkünften war ganz schnell klar, dass wir nicht nur einen guten Namen sondern ein neues Konzept brauchen. Klar war zuerst nur, dass sich alle Ausstellungen stark voneinander unterscheiden sollten und dass wir in den Nischen der Fotografie die spannenderen Projekte fanden, alles war denkbar – aber bloß keinen Mainstream!
Jens Pepper: Wer waren die Gründungsmitglieder und ist die Mitgliederstruktur heute die gleiche wie damals?
Michael Biedowicz: Das waren die Gründungsmitglieder: Daniel Hahn, Isabell Köhncke, Bernhard Moosbauer, Mirjam Siefert und Pamela Spitz – mit mir sechs. Der Kollektivgedanke war in der frühen Phase sehr wichtig und hat uns auch eine stabile Struktur gegeben. Nach ungefähr drei Jahren, als die erste Euphorie nachgelassen hat, brauchten wir aber eine Perspektive – wohin soll die Reise gehen und wie wollen wir uns entwickeln? Da haben wir festgestellt, dass jeder von uns andere Ideen über die Ausrichtung hatte. Einige haben die Galerie verlassen, aus den unterschiedlichsten Gründen – neue Mitglieder kamen hinzu und blieben manchmal kürzer oder länger. Die Struktur aber blieb. Interessanterweise denke ich seit diesen Tagen, dass das Modell sich eventuell überholt hat und nicht mehr richtig passt.
Jens Pepper: Warum habt ihr euch nach dem berühmten Experiment Pavlovs benannt? Um damit der Zielsetzung, bloß nicht Mainstream sein zu wollen, einen anderen Weg gehen zu wollen, Nachdruck zu verleihen?
Michael Biedowicz: Die Namensfindung war der Punkt der am längsten und ausgiebigsten diskutiert wurde. Wir hatten uns die Vorgaben gegeben, dass der Galeriename auf Deutsch und Englisch funktionieren sollte und dass die naheliegenden Begriffe für eine Galerie: „ art- “, „Photo – “ und „Kunst – “ tabu waren. Das war uns zu unoriginell.
Mir fiel eines Tages ein Refrain eines Liedes ein, da kam der Begriff „pavlov’s bell“ ( Frustrating von SJ Essau, heißt der Song) vor – und ich dachte , die Experimente mit der Konditionierung von Iwan Pavlov kann man auch auf die Kunst und einen Galeriebetrieb anwenden. Ausschlaggebend war aber dass es catchy klingt und auch merkfähig. Ein Berater, den wir zum Glück nicht hatten, hätte die Hände über den Kopf zusammengeschlagen.
Jens Pepper: In welche Richtung würdest du denn gerne den Galeriebesucher konditionieren? Das klingt, als ob dir bzw. euch etwas in der Rezeption von Fotografie in Deutschland fehlt.
Michael Biedowicz: Die Konditionierung im verhaltensbiologischen Sinne meint: Du machst 20 gute Ausstellungen, die Leute kommen und goutieren das. Die 21. Ausstellung musst Du nur noch ankündigen und Du erzielt den gleichen positiven Effekt.
Aber im Ernst, ich möchte unsere Besucher weder konditionieren noch wünsche ich mir den idealen Galeriebesucher. Ich bin froh, wenn jemand die Galerie in einer anderen Stimmung ( hoffentlich positiver) verlässt als er reingekommen ist – dann bin ich happy! Die besten Momente waren für mich immer, wenn es zwischen fremden Menschen eine Kommunikation ausgehend von den ausgestellten Bilder gibt. Man redet plötzlich miteinander, weil ein Bild eine Brücke schlägt.
In der Beschaffenheit unseres Galerieraumes liegt eine Besonderheit – er ähnelt eher einem Salon als einem White Cube Space. Uns ist der Besucher wichtig, für ihn machen wir Ausstellungen und andere Aktivitäten. Bei einer White Cube Gallery denke ich immer, dass Betrachter eher störend sind. Es gibt ja Menschen, die sich in keine Galerie trauen, weil sie sich dort unwohl fühlen und fürchten dass sie dort in Gespräche verwickelt werden bei denen sie sich blamieren – genau das Gegenteil wünschen wir uns bei pavlov’s dog. Die Fotografie ist eins der zugänglichsten Medien, aber seit sie im Kunstmarkt fest verankert ist, kommen auch schreckliche Attitüden hinzu, Eitelkeiten und elitäres Denken. Das stört mich total.
Wir hatten im letzten Jahr eine Veranstaltung mit dem Schauspieler Matthais Matschke gemacht. Das Programm nannte sich „Keine Ahnung warum ich das fotografiert habe“ – Matschke hat schlichte Amateurfotos der Besucher spontan kommentiert und interpretiert, ein ganz großer Spaß! Matthias ist übrigens ein Fördermitglied der Galerie, darüber bin ich sehr froh!
Jens Pepper: Wenn du von Attitüden und elitärem Denken sprichst, wen meinst du damit genau? Du sprichst von Galeristen und Kunstvermittlern, oder? Ich komme ja selber aus dem Galeriebetrieb und habe so etwas bei den meisten Kollegen eigentlich nicht erlebt, zumindest nicht in auffällig hoher Dosierung. Und in meinen eigenen Galerien war die direkte Kommunikation mit jedem Besucher immer wichtiger Bestandteil der Arbeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass pavlos’s dog Menschen anlockt, die gleichzeitig Angst vor einem Besuch in anderen Galerien haben. Die, die Angst vor Kunst oder einer inquisitirischen Befragung in einer Galerie haben, werden das Gefühl auch vor eurer Tür nicht ablegen, insbesondere wenn nur der Galerist oder die Aufsicht aber kein anderer Besucher durch das Fenster zu sehen ist.
Michael Biedowicz: Ich kenne auch nur gute und engagierte Kollegen die Spaß an den Werken und noch mehr Spaß an der Vermittlung haben. Was ich meine ist die „Institution Galerie innerhalb des Kunstmarkts“ die sich elitär geben muss – der Markt verlangt es so. Kunst lebt vom Ausschluss – das habe ich in den sieben Jahren gelernt. Wer auf dem Kunstmarkt bestehen will, muss sich mit den undurchsichtigen Gepflogenheiten des Marktes arrangieren. Da werden exklusive Galerie Dinner veranstaltet, Previews etc. – es soll dem Sammler oder potentiellen Käufer immer ein Gefühl der Auserwähltheit vermittelt werden, quasi wir nehmen dich in diesen Kreis auf – und schon fühlt sich der Eingeladene geehrt. Ich selbst war als Gast einer Preview zur MoMa Wiedereröffnung in New York einladen. Ich fühlte mich an diesem Abend als etwas Besonderes, das hielt aber nur solange an bis ich erfahren habe, dass es am Abend vorher schon eine Pre-Preview gab. Ich will das System gar nicht kritisieren, es funktioniert und ist somit nicht anzuzweifeln.
Was mich aber eher auf diesem Feld stört, sind oftmals die begleitenden Texte zu Ausstellungen. Da liest man leider allzu oft Unverständliches. Die verzweifelten Versuche sich durch geschraubte Formulierungen auf eine Metaebene zu katapultieren sind schon manchmal grotesk.
Jens Pepper: Gibt es Kunstvermittler, Fotohistoriker, Kritiker, Kuratoren etc. deren Schreibe du besonders schätzt, die du als Beispielhaft ansiehst?
Michael Biedowicz: Da denke ich vor allem an die Großmeister Klaus Honnef und Hubertus von Amelunxen. Sie waren und sind für mich wichtig, ihre Reflexionen zum Medium Fotografie haben mich ganz stark geprägt. Bei der jüngeren Generation fällt mir spontan Ulf Erdmann Ziegler ein: schlaue Texte! Vor allem schätze ich bei ihm die Fähigkeit, sich mit allen Sinnen (und nicht nur durchgeistigt ) mit der Fotografie einzulassen – ergebnisoffen!
Bei pavlov’s dog haben wir uns recht bald auf einen literarischen Zuschnitt der Texte geeinigt. Das passt am besten zur Galerie – vielleicht auch deshalb weil wir damit Brücken zu anderen Genre schlagen wollen.
Jens Pepper: Interessant; gerade Texte von Amelunxen finde ich ja ziemlich geschraubt und für einen Laien, den man für die Fotografie begeistern möchte, eher ungeeignet. Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sind. Wer schreibt denn für euch die Texte, wenn ein literarischer Zuschnitt erwünscht ist?
Michael Biedowicz: Aktuell gerade ich selbst! Ich bin Dir dankbar für Deine Anmerkung, die mich dazu bringt darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, an den Adressaten zu denken.Theorie wird außerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses immer schwer konsumierbar erscheinen. Will ich die Rolle des Vermittlers annehmen, dann wird es fraglich ob ich mit dem Sound eines theoretischen Textes gut beraten bin. Mein Verdacht ist, dass er auch Mittel einer Distinktion ist.
Pavlov’s dog setzt im seinem Programm auf eine Sinnlichkeit der Fotografie, wir beteiligen uns weniger an einer theoretischen Erforschungen des Mediums. Daher gilt für den begleitendenText: Verständlichkeit ist oberstes Gebot, das bedeutet aber nicht Gedankenarmut ! Die besten Ausstellungstexte stammen von Andreas Wolf, er war für kurze Zeit Mitglied der Galerie und sein Textverständnis beruhte auf gut lesbare Literatur: ein, zwei gute Gedanken und diese schön formuliert. Besser hat nie wieder jemand für die Galerie geschrieben. Für die nächste Ausstellung von Alexander Gehring schreibe ich den Text – harte Arbeit für mich, aber ich merke, dass der Reiz der Überforderung funktioniert.
Jens Pepper: Wie kommen die Bilder zu euch in die Galerie? Sucht ihr aktiv, stellen sich Fotografen und Fotografinnen vor, … es gibt da ja verschiedene Wege, um an gute Ausstellungen zu kommen.
Michael Biedowicz: Das ist sehr unterschiedlich: meistens ist es ein Künstler den man toll findet und dann bespricht man ein Ausstellungskonzept, das auf die Größe der Galerie zugeschnitten ist. Im Idealfall wäre das eine Ausstellung die nur bei pavlov’s dog funktioniert. So war das z. B. mit Michael Wesely. Seine Idee war es Menschen mit dem Namen „Pavlov“ zu porträtieren – eine super Idee die 100%ig auf unsere Galerie zugeschnitten war. Wir haben dann versucht viele Pavlovs in Berlin zu finden, alle Mittel waren recht. Wesely hat leider die Frauen die natürlich Pavlova hießen, nicht haben wollen. So mussten wir auch ein russischen It-Girl aussortieren, Anna Pavlova hieß sie. Das war schade.
Natürlich wenden sich auch viele Künstler an die Galerie, das ist meistens weniger erfolgreich. Ein Galerist will jemanden entdecken, das bringt den meisten Spaß. Was überhaupt nicht geht, sind Künstler die sich per Sammelanschreiben melden.
Jens Pepper: Beschließt ihr alle Ausstellungen im Team oder hat jeder von euch auch die Möglichkeit, mal das zu zeigen, was einem persönlich wichtig ist?
Michael Biedowicz: Wir beschließen im Team über die nächsten geplanten Dinge, meistens im Konsens. Bisher kam es auch nie zu Blockaden oder ähnlichem. Wenn jemand partout eine Idee eines Künstlers nicht mag, dann zieht er sich etwas zurück. Im Gründungsgedanken liegt ja auch die Vielseitigkeit des Programms. Mir ging es nur einmal so, dass ich ein Ausstellungskonzept emotional nicht mittragen konnte. Wir haben das Grafikkollektiv Hypgnosis präsentiert, ihre Schallplatten Cover sind echte Klassiker: Pink Floyd, Led Zeppelin u. v. a.m. – ein hochinteressantes Kapitel der Pop Kultur. Nur wollten die beiden Macher ihr ganzes Werk zeigen, dass in den 80ziger Jahren leider nur noch durchschnittlich war. Die Ausstellung war dann nur eine uneditierte und leider auch unreflektierte Werkschau. Aber wir haben daraus gelernt, dass die Idee des Künstlers auch einen Konterpart braucht, einen Partner mit einer Haltung.
Jens Pepper: Was steht denn auf eurer Wunschliste, also welche Ausstellung bzw. Ausstellungen würdet ihr gerne machen? Ich weiß, dass du gerne etwas mit Daniel Josefsohn gemacht hättest. Gibt es diesbezüglich noch Pläne?
Michael Biedowicz: Mit Daniel Josefsohns Arbeiten machen wir auf jeden Fall wieder eine Ausstellung. Er hinterließ einen so riesigen Bilderschatz. Wir sind da auch schon ganz weit mit der Planung. Ich bin ganz optimistisch, dass wir es noch in diesem Jahr realisieren können. Mit Daniel hatte 2011 die Galerie eröffnet. an einem bitterkalten Februartag kamen hunderte Leute. Es war der perfekte Start für uns. Übrigens auch für Daniel. Er war damals im Gespräch mit den Volksbühnen Leuten, es ging um den Posten als Posten des Kreativ Direktors. Er hatte sie zur Eröffnung eingeladen, einen Tag später war er engagiert.
Die nächste Ausstellung bestreitet Alexander Gehring, ein Künstler den wir vertreten. Sein Thema ist diesmal die Beziehung von Alchemie und Fotografie – es wird ganz sicher spannend! Was ich darüber hinaus verraten darf: beim EMOP sind wir hoffentlich wieder dabei – ich darf nicht vergreifen, die Jury muss zunächst darüber befinden. Ich mag diesen Monat der Fotografie sehr – ein immer besser organisiertes, hierarchieloses Publikumsfestival. Beim letzten Mal hatte ich eine Besucherin aus Australien die zu mir sagte: endlich bin ich bei pavlov’ dog, der Galerie von der ich so oft gehört habe.
Jens Pepper: Das heißt, ihr vertretet Künstler auch so wie klassische Galerien es tun, ihr kümmert euch langfristig um Partnergalerien, Ausstellungen in Institutionen, um Presse und um Käufer? Wie bringt ihr das mit euren Brotjobs unter einen Hut? Hat jeder im Team da eine bestimmte Aufgabe , vielleicht den persönlichen Fähigkeiten entsprechend?
Michael Biedowicz: Ja, wir machen es so wie viele: einige Künstler vertreten wir, das bedeutet eine gewisse Bindung für beide Seiten. Wenn einer der Partner meint, das bringt nichts mehr, lösen wir diese Verbindung auch wieder auf. Das bedeutet, man geht einen gemeinsamen Weg: supportet die eigenen Künstler wo es nur geht und erwartet eine gute Entwicklung des Künstlers. Partnergalerien haben wir nicht, zu der einen oder anderen Galerie gibt es schon einen guten Draht – man besucht sich, und versucht Synergien hinzubekommen. z.B. die Vernissagen zu koordinieren.
Ja, jeder von uns hat ja noch einen Brotjob ohne den wir uns nicht halten könnten. Es ist schon viel Arbeit, die die Galerie erfordert, das bedeutet Selbstausbeutung – darüber darf man gar nicht rational nachdenken, sonst verliert man die Lust. Zuständigkeiten sind natürlich an persönliche Vorlieben geknüpft. Einmal wurde es eng, der Webdesigner ist ausgestiegen und keiner konnte ihn so schnell ersetzen. Was tun ? Ich habs dann versucht und html gelernt – ohne Galerie hätte ich das nie angefangen. Ich find es wunderbar!
Überhaupt, ich würde den Job des Galeristen nicht machen, wenn ich nichts zurückbekommen würde. Mit jeder Ausstellung ist mein Erfahrungsschatz gestiegen, ich hatte durch die Galerie so tolle Menschen kennengelernt und das Medium ganz neu erfahren. Als Bildredakteur setzt man Fotografie im journalistischen Sinne ein, das ist immer mit einer Absicht verbunden, mal ganz offensichtlich, mal sehr diffizil. In der Galerie gibt es das nicht: Hier kann die Fotografie auch mal ganz absichtslos sein, kann ganz bei sich sein.
Jens Pepper: Mit Edward B. Gordon vertretet ihr auch einen Maler. Wie kommt das?
Michael Biedowicz: Ja in der Tat, das ist etwas ungewöhnlich für eine Fotogalerie. Es hat vielfältige Gründe: erstens: Sein Blick ist fotografisch, für einen Maler etwas ungewöhnlich. Viele seiner Motive sind wie fotografische Momentaufnahmen. Zweitens: Malerei verkauft sich grundsätzlich gut, es gibt da keinen Zweifel, dass ein Ölbild ein Unikat ist. Wie viel schwieriger ist es einem Kunden die Gepflogenheiten der Fotowelt mit ihren künstlich limitierten Editionen zu erklären. Drittens: mit Edward verbindet mich nicht zuletzt eine Freundschaft. Wir sind aber beileibe nicht die einzige Galerie, mit der Edward arbeitet. pavlov’s dog hat zwei sehr erfolgreiche Ausstellungen mit Edward B. Gordon ausgerichtet, an die ich mich gern erinnere.
Jens Pepper: Ah, die Auflagen. Das wäre in der Tat mal ein extra Gespräch wert. Wie du weißt, habe ich so meine Probleme mit einer Limitierung von Fotografie. Es gibt genug Beispiele, dass hohe Auflagen oder fehlende Auflagen keineswegs zu niedrigen Preisen von guten und/oder wichtigen fotografischen Werken führen. Die künstliche Verknappung widerspricht den Möglichkeiten des Mediums Fotografie vollkommen und ist ausschließlich als Instrument zu sehen, möglichst schnell möglichst hohe Preise für einzelne Werke zu erzielen, selbst von gänzlich unbekannten Fotografen und Fotografinnen. Der Galerist Volker Diehl erzählte mir im vergangenen Jahr, dass er es gerne hätte, wenn die von ihm gehandelten Fotografen nur jeweils einen Print herstellen und dann das Negativ vernichten oder die Datei löschen. Ich finde das absurd. Also, ein Thema für die Zukunft Michael.
Wie sieht es denn bei euch auf der Einnahmeseite aus? Trägt sich die Galerie, buttert ihr Eigenkapital zu oder verschafft sie euch als Galeristen zumindest gelegentlich auch mal ein kleines Extraeinkommen?
Michael Biedowicz: Über die Editionspraxis kann man lange referieren und versuchen dieses Gebaren transparent zu machen. Es hilft nicht viel und für die potentiellen Käufer bleibt es rätselhaft, warum ein Medium sich so selbst beschränkt. Es sind die Gesetze des Kunstmarktes die hier greifen – eigentlich sehr schade, denn in ihrem Wesen ist die Fotografie ja sehr demokratisch. Ein jeder kann das Bildermachen schnell erlernen und neuerdings auch im Handumdrehen für alle publik machen.
Du sprichst die Einnahmen an, darauf muss ich sogleich kontern: welche Einnahmen?? Wir können uns nur halten, indem wir alle Betriebs(un)kosten teilen, sodass es den Einzelnen nicht ganz so doll schmerzt. Man muss es ganz klar sagen, ohne unsere finanziellen Beiträge ginge nichts. Hinzu kommt noch die Selbstausbeutung, denn die Arbeit eines jeden wird natürlich auch nicht bezahlt.
Es gibt ab und an Verkäufe – zum Glück! Neben dem finanziellen Gewinn ist aber der ideelle Effekt fast stärker. Ein Käufer findet ein Bild so gut, dass er es für Geld erwirbt. Ich bin dann immer sehr gerührt. In der Anfangsphase hatten wir überlegt, dass es eine Gefahr sein könnte, sich über Verkäufe zu finanzieren – das könnte ja das Programm beeinflussen und wir könnten zum Kommerz verführt werden. Sieben Jahre später sieht alles ganz anders aus – der Markt ist viel unerbittlicher geworden und Berlin-Mitte ist so teuer wie noch nie. Das soll nicht verbittert klingen, ich wollte das Geschäft eines Galeristen lernen und bin froh, dass es damit noch nicht zu Ende ist.
Jens Pepper: Diese Sorge vor betriebswirtschaftlichen Elementen im Galeriebetrieb sollten wirklich nicht als Gefahr für ein gutes Galerieprogramm gesehen werden, insbesondere dann, wenn Künstler fest vertreten werden, wie ihr es ja ansatzweise auch macht – derzeit immerhin fünf Personen, u.a. Andreas Rost. In der Regel erwarten die dann ja ein Engagement in Bezug auf mögliche Verkäufe; deshalb stimmen sie ja einem Vertretungsanspruch zu. Natürlich ist die Verantwortung für das Unternehmen dann eine andere, man ist nicht mehr nur für seine eigenen Ideale zuständig. Der Gedanke an mögliche Kunden wird raumfüllender.
Ihr macht gelegentlich auch Veranstaltungen, wie die von dir erwähnte mit dem Schauspieler Matthias Matschke, der mitgebrachte Fotos der Veranstaltungsbesucher spontan kommentiert hat, Geschichten aus ihnen entwickelt hat. Das klingt spannend. Kommen zu solchen Veranstaltungen Menschen, die sonst womöglich nicht in eure Galerie kommen würden?
Michael Biedowicz: Richtig, die Erwartungen an ein Engagement seitens der Galerie sind hoch, diese versuchen wir nach unseren Möglichkeiten auch zu erfüllen – z. B. dass man Kunstmessen ansteuert. Das geht jedoch nur, wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, so eine Koje kostet viel Geld und das Risiko ist hoch. Zweimal waren wir auf Messen, der Wert bestand auch hier mehr oder weniger im Erkenntnisgewinn.
Neben den Ausstellungen sind die vielfältigsten Veranstaltungen fester Bestandteil des Programms. Wir hatten schon alles: Vorträge, Filmaufführungen, Book Lauches, Portfolio reviews, artist talks . Das ungewöhnlichste war sicher die Veranstaltung mit Matthias Matschke, der auch Mitglied der Galerie ist, die wir schon bald wiederholen. Matthias ist eine ganz große Stütze der Galerie. Seine Partnerin hatte die Idee zu dieser Performance, dass Matthias zu Bildern die er zum ersten mal sieht, frei assoziiert und Geschichten erfindet- ein Riesenspass!! Dahinter steckt aber auch ein Gedanke: das Medium Fotografie bietet so viel Stoff – z. B. auch in der Amateurfotos. pavlov’s dog möchte die ganze Palette abdecken – nur eins darf nicht passieren: das Publikum langweilen.
Jens Pepper: Gibt es fotografische Werke, die dich im Laufe deines Lebens visuell persönlich am stärksten geprägt haben? Oder war da immer die Liebe zur gesamten Fotografie?
Michael Biedowicz: Ich habe meine Obsession zur Fotografie erst spät benennen können. Es war einfach der Fakt, dass ich diese Sprache verstehen konnte und in mir wuchs die Idee, mich auch so ausdrücken zu wollen. Ich wollte die Sprache der Fotografie erlernen – ein klassischer Autodidakt eben. Dann prägten mich auch ganz besondere Ausstellungen, Sugimoto in der Neuen Nationalgalerie zum Beispiel.
Jens Pepper: Was gefällt dir an Hiroshi Sugimoto? Sein Werk besteht vor allem aus seriellen Projekten, wie die Seestücke, die Lanzeitbelichtungen von Kinoleinwänden während der Vorführungsdauer eines Films, die Wachsfiguren usw. Bei ihm ist alles Konzept, die Arbeiten sind bis ins Detail geplant, Spontanität gibt es bei ihm nicht, lebende Menschen ebenfalls nicht.
Michael Biedowicz: Sugimotos Schau in der Neuen Nationalgalerie ist ein Beispiel für eine ganz besondere, ich möchte sagen ganzheitliche Präsentation. Noch nie hatte ich vorher oder später wieder so eine Form der Überwältigung durch Fotografie erlebt. Es war das perfekte Raumerlebnis. Tillmans steht natürlich auch dafür.
Jens Pepper: Du sprichst jetzt von der Hängung, oder? Ich habe die Ausstellung in der Nationalgalerie nicht gesehen, ich habe Sugimoto auch nur einmal in der Deutschen Guggenheim Berlin in einer Einzelpräsentation gesehen, aber die war klassisch gehängt. Wie war das in der Neuen Nationalgalerie?
Michael Biedowicz: „Hängung“ ? – der Begriff wäre viel zu klein für diese Offenbarung. Es hatte fast schon etwas religiöses. Die Geschichte des Hauses ( und nicht zuletzt der Moderne ), die Bilder , die ganze Klarheit des Konzepts – alles griff ineinander, das war einmalig. Richtig gute Fotoausstellungen können so besondere Erlebnisse sein, dass auch jeder Versuch der Wiedergabe in Katalogen etc. scheitert. Mir ist und war immer der Raum wichtig, er ist ja viel mehr als Kulisse oder Stellfläche. In ihm nehmen wir die Kunst war und dieses Zusammenspiel beeinflusst unsere Wahrnehmung. Der direkte Kontakt mit der ausgestellten Fotografie wird auch nur im Ausstellungsraum komplett sein und schafft den Dialog mit dem Betrachter. Das ist jetzt mal ein Plädoyer für den Galerie- und Museumsbesuch, oder ?
Jens Pepper: Oh ja, das war leidenschaftlich vorgetragen. Überlasst ihr bei pavlov’s dog die Konzeption der Hängung den Fotografen, entscheidet ihr gemeinsam mit den Ausstellenden, oder entscheidet ihr als Kuratoren selber?
Michael Biedowicz: Es läuft in der Regel so: die allermeisten Künstler kommen mit einem Hängekonzept, das haben sie so im Kopf. Dann kommt die wunderbare Phase, diese Idee im Raum umzusetzen – und dann merkt man schnell, es funktioniert, oder manchmal auch nicht – und alles ist wieder offen. Ich mag das und finde das ganz großartig! Wir verstehen uns dabei auch als Mentoren und versuchen die Ausstellungsidee sichtbar zu machen. Die Haltung der Galerie ist wichtig, es geht nicht darum einen Raum herzugeben unter dem Motto, so tobt Euch aus – nein, die Galerie hat ja eine Idee, was sie will und nicht zuletzt auch gesammelte Erfahrung, welche Wirkung erzielt werden kann. Der Prozess der Hängung ist hochintensiv und meistens auch konfliktfrei. Mich macht das immer glücklich und das möchte ich nie mehr in meinem Leben missen.
Jens Pepper: Als ihr Oliver Marks schwarzweiße Polaroids bzw. Impossible-Aufnahmen gezeigt habt, gab es sowohl original Sofortbilder von ihm zu sehen als auch große Bilder, also gescannte Originale, die vergrößert geprinted wurden. Gab es diese Vergrößerungen als Editionen zu kaufen oder waren es lediglich Ausstellungsprints, die nicht zum Verkauf standen? Ich frage das, weil ich die Ausstellung nicht gesehen habe. Sie hätte mich aber interessiert, da ich seine zu diesen Aufnahmen bei Hatje Cantz erschienene Publikation in Heftform im Folioformat daheim habe und sehr interessant finde.
Michael Biedowicz: Die Original Impossible Polaroids konnte Oliver gar nicht zeigen, sie waren schon 3 Monate nach der Aufnahme verblichen. Ich weiß nicht, ob das Impossible Material inzwischen haltbarer ist – sie sollten diese nicht unwichtige Information auf ihre Schachtel schreiben. Man muss also beizeiten das Bild einscannen, sonst ist es für immer verschwunden. Wir hatten vom Künstler die Daten bekommen und ausgeprintet, als A1A artprints in verschiedenen Größen. Diese hatten eine Auflage, ich glaube 3+ 1 und 5+1. Ich erinnere mich gern an das Projekt, es waren zumeist Prominente auf den Bildern zu sehen, aber jenseits von Glamour – sehr raues Material.
Jens Pepper: Doch, doch, Impossible hatte den S/W-Film dann noch in den Griff bekommen. Das Grau wurde zwar teilweise mit der Zeit Sepia, aber die Bildinformation blieb erhalten. Jetzt, nachdem Impossible wieder Polaroid ist, habe ich den Film noch nicht auspropiert. Wollen wir es bei diesem Schluss lasssen? Wir könnten ja noch ewig weiterreden, aber lass uns das beim Pepper’s Photo Chat Live im April machen, wenn du mein Gast bist. Ich freue mich schon darauf. Besten Dank für heute Michael.
Michael Biedowicz: Gut, wunderbar, hat Spaß gemacht lieber Jens!
Michael Biedowicz wurde 1955 geboren. Als Fotograf Autodidakt, jedoch mit Abschluss an der Kunsthochschule Weißensee. Zehn Jahre lang war er Fotograf am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Freie journalistische Arbeiten, dann ab 1988 Bildredakteur im Henschel Verlag. Gründungsmitglied der „taz ddr“. Seit 1997 bei der Zeit, derzeit als Bildredakteur des ZEITmagazins. 2011 war er Gründungsmitglied der Galerie pavlov’s dog. Nebentätigkeiten als Dozent und Jurymitglied.
Foto links: Darius Ramazani