Foto: Klaus Pichler - aus Golden Days before they end

Christian Reister: Klaus, wir haben uns vor einem Jahr auf dem Vienna Photobook Festival kennengelernt, wo du mir zu später Stunde Bilder deiner Arbeit „Golden Days Before They End“ auf dem iPad gezeigt hast. Fotos aus einfachen Wiener Kneipen, die nach und nach aus der Stadt verschwinden. Vor kurzem ging das diesjährige Vienna Photobook Festival zu Ende und das Buch liegt fertig vor, erschienen in der Edition Patrick Frey. Gratulation! Erzähle doch mal, wie es zu der Arbeit kam, wann die Idee zum Buch entstand und wie es zu der Zusammenarbeit mit dem Verlag kam.

Klaus Pichler: Danke! Ich kann mich noch gut an unser Treffen am beim Festival erinnern und freue mich sehr, dass jetzt, ein Jahr später, das Buch wirklich fertig geworden ist. An dem Projekt haben Clemens Marschall, der für die Texte verantwortlich ist, und ich Anfang 2012 zu arbeiten begonnen. Die ursprüngliche Idee kam von Clemens, weil er seit Jahren in solchen Lokalen unterwegs ist und gemerkt hat, dass immer mehr davon zusperren. Er hat mich irgendwann gefragt, ob ich Interesse hätte, mit ihm gemeinsam was darüber zu machen und nach ein paar ersten Besuchen war ich recht schnell begeistert von der Idee. Zu Beginn habe ich ehrlich gesagt nicht dran geglaubt, dass unser Vorhaben realisierbar ist, weil ich einerseits überhaupt keinen Blick dafür hatte, wie viele derartige Lokale es noch gibt und andererseits auch nicht daran glaubte, dass ich dort fotografieren darf. Das hat sich zum Glück recht schnell als Irrtum herausgestellt und so ist das Projekt mehr und mehr gewachsen.

Anfang 2015 hatten Clemens und ich das Gefühl, dass wir mit dem Projekt langsam auf der Zielgerade ankommen und sind auf die Suche nach einem geeigneten Verlag gegangen. Wir haben rund 15 Verlage, die uns sympathisch waren, mit einem PDF angeschrieben und das Team von Edition Patrick Frey hat sofort geantwortet und uns nach Zürich eingeladen. Beim ersten Termin in Zürich haben wir dann gemerkt, dass die Chemie stimmt und wir ähnliche Vorstellungen haben, was das Buch betrifft, und als Patrick Frey uns dann eine Zusammenarbeit angeboten hat, haben wir nicht lange überlegt und zugesagt.

Christian Reister: Die „Beisln“, in denen du fotografiert hast, würde man in Berlin wahrscheinlich „Eckkneipe“ nennen. Ein trinkfreudiges Stammpublikum aus der Nachbarschaft, ein eher derber Umgang, jeder kennt jeden, vielleicht so was wie eine eingeschworene Familie – hart aber herzlich. Wie wurde dort reagiert, als ihr dort als Außenstehende aufgetaucht seid, um zu fotografieren und Texte zu machen? Musstet ihr erst ein paar Schnäpse mit trinken oder wie muss man sich das vorstellen?

Klaus Pichler: Wir haben uns beim ersten Besuch eines Lokals noch vor dem Bestellen bei der Person vorgestellt, die hinter dem Tresen arbeitete – wir sind also quasi mit dem Herz auf der Zunge reingekommen und haben unser Projekt vorgestellt. Da die Lokale alle sehr klein sind und neue Gesichter eher selten, haben alle Gäste genau mitgehört, was wir gesagt haben und oft waren wir nach den ersten paar Sätzen schon akzeptiert und unser Vorhaben wurde unterstützt. Das ging manchmal so schnell, dass ich die Kamera noch gar nicht ausgepackt hatte, als die ersten Gäste schon in Fotolaune waren. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal nach 5 Minuten in einen Ehestreit hineingezogen wurde, weil beide mir hintereinander ihr Problem mit dem jeweils anderen vorgebracht haben und ich dann vermittelnd eingreifen sollte. Es hat dann fast zwei Stunden gedauert, bis das Problem ausdiskutiert war. Solche Momente empfand ich als großen Vertrauensbeweis und ich habe mich deshalb immer bemüht, diesem Vertrauen gerecht zu werden – oft auch, indem ich die Kamera den ganzen Abend in der Tasche gelassen und einfach zugehört und mitgeredet habe.

Getrunken habe ich übrigens nur Mineralwasser – ich trinke eher wenig Alkohol und hätte es daher als Anmaßung empfunden, wenn ich mit Leuten, die ein Alkoholproblem haben, mitgetrunken hätte, nur um näher an sie ranzukommen. Ich habe mir immer gedacht, dass das auch anders gehen muss und ich dafür keinen Alkohol brauche. Das wurde von den Gästen meistens auch akzeptiert und manchen hat das sogar imponiert.

Christian Reister: Du hast mir auch mal erzählt, dass jedes Bild in dem Buch von dem Abgebildeten freigegeben wurde. Das finde ich sehr erstaunlich, zumal die meisten ja nicht gerade in den vorteilhaftesten Posen abgebildet sind. Gab es auch viele Ablehnungen und wie erklärst du dir, dass so viele zugestimmt haben?

Klaus Pichler: Also wie eine klassische Freigabe mit Model Release und Unterschrift darf man sich das nicht vorstellen, denn die Gäste in den Lokalen haben durch ihre Lebenswege meist eine gesunde Abneigung gegen alles vertragliche und ‚offizielle‘ – stattdessen habe ich geschaut, dass ich die ausgedruckten Fotos so bald wie möglich in den Lokalen vorbeibringe und den Leuten gebe. Einerseits war das ein Weg, mich zu bedanken, andererseits konnte ich so Fotos, die den Abgebildeten nicht recht waren, gleich eliminieren. Zu den Posen kann ich nur sagen, dass das auf den Fotos vielleicht manchmal nicht rüberkommt, dass es sich aber in den meisten Fällen um Selbstinszenierungen der Abgebildeten handelt, die ohne mein Zutun entstanden sind. Die Leute haben mit der Kamera gespielt und große Freude daran gehabt, vor mir quasi ‚Improtheater‘ zu spielen – meistens geht es in den Lokalen ja sehr humorvoll zu und die Inszenierungen und der Galgenhumor gehören einfach dazu. Deshalb haben sich die Leute, wenn sie ihre Fotos sahen, auch meistens sehr amüsiert und waren glücklich damit – die wissen ja ganz genau, aus welcher Schicht sie kommen, welche Lokale sie da frequentieren und welches Bild nach außen sie von sich selbst zeichnen. Dass da miteinander und auch mit sich selbst oft nicht eben schonungslos umgegangen wird, das ist auch klar. Ich denke, wenn man die Texte im Buch liest, merkt man, dass das ein gewisser ‚Wahnsinn mit System‘ ist und wenig zufällig oder unkontrolliert passiert.

Christian Reister: Ich denke, das hat hier auch mit einem gewissen Stolz und einem Selbstbewusstsein zu tun, das ich total schätze. Sicher hätte man bei einer ähnlichen Geschichte in gehobeneren Lokalen ständig damit zu tun, dass sich irgend jemand nicht gut getroffen findet oder sowieso nicht in diesem Kontext öffentlich gezeigt werden möchte.

Klaus Pichler: …wobei das natürlich ein generelles Problem in der dokumentarischen Fotografie ist: an Menschen aus den weniger gut abgesicherte sozialen Schichten kommt man viel leichter ran als an Menschen aus der Oberschicht. Die gehobene Gesellschaft, vor allem die reichsten Kreise, sind relativ hermetisch und man findet nur schwer Zugang, vor allem, wenn man nicht den selben Habitus hat. In den ‚unteren‘ Schichten ist das Miteinander ganz anders organisiert. Zugang findet, wer sich zu benehmen weiss, ganz egal, wie er aussieht oder wie viel oder wenig Geld er hat. Da war der Zugang für mich natürlich viel einfacher. Außerdem, und das sage ich jetzt wertfrei, gibt es in der Oberschicht viel weniger Freiheit, weil es viel um Repräsentation, in der Rolle bleiben und das Gesicht wahren geht – man kann es sich schlicht nicht leisten, sich unverstellt zu geben, da man den Status repräsentieren muss. Deshalb gibt es hier viel klarere Grenzen, was geht und was nicht, was für einen Fotografen natürlich um einiges uninteressanter ist, weil es eben nur ein Blick auf die Fassade, und nicht einen dahinter gibt.

Der Stolz und das Selbstbewusstsein der Leute im Buch hat mir immer sehr imponiert – da gibt es kein Verstecken oder Verstellen, da regiert der schonungslose Umgang, auch mit sich selbst. Hinter jeder vermeintlich rauen Aussage steckt viel Zuneigung und menschliche Wärme. Wenn man das erstmal verstanden hat, dann dringt man zum Kern der Menschen durch und lernt sie von ihrer durchaus stolzen Seite kennen. In den meisten Fällen waren das Leute im letzten Lebensdrittel, die sich meistens vom Wunschdenken, ein neues Leben zu beginnen, verabschiedet hatten und sich deshalb mit ihrem Lebensweg, der oft von Brüchen und Rückschlägen gekennzeichnet war, identifizierten.

Christian Reister: Da ich mich gerade mit einem Wiener unterhalte: wie war das diesjährige Vienna Photobook Festival? Letztes Jahr habe ich immer wieder Stimmen gehört, die meinten, dass der Zenit des Fotobuchbooms so langsam überschnitten sei und zu viele Festivals um das selbe Publikum buhlen.

Klaus Pichler: Für mich hat es sich ein wenig angefühlt wie ein ‚Familientreffen‘, weil sehr viele Leute da waren, die ich kenne und schon lange nicht mehr gesehen habe, was ich sehr genossen habe. Ich finde die Stimmung beim Festival jedes Jahr so angenehm international – man kommuniziert viel offener als im Rest des Jahres und es gibt immer viel zu entdecken, menschlich und inhaltlich. Zum Fotobuch selbst: ich hatte am Festival ein Gespräch mit einem sehr bekannten Fotografen, der seit 25 Jahren Fotobücher veröffentlicht und ich habe ihn gefragt, was der Unterschied in seiner Arbeitsweise und in seiner Art Fotobücher zu gestalten ist, seit es den Boom gibt und die Fotobücher als Objekte konzeptioneller und künstlerischer designed sind. Er meinte, dass der wichtigste Unterschied zu früher für ihn ist, dass die Fotos selbst nicht mehr so gut sein müssen, weil man das mit dem Buchdesign kaschieren und dadurch auch aus mittelmäßigen Fotos schöne Doppelseiten und Bücher gestalten kann. Ich denke, das trifft den Kern des Problems ziemlich genau – es gibt zu viele Bücher mit zu wenig echter Substanz, fotografisch wie inhaltlich, und dadurch fällt es schwer, den Überblick zu behalten und wirklich gute Bücher zu finden. Das bringt eine gewisse Resignation mit sich, und darunter leidet das Medium Fotobuch ganz bestimmt. Ob das längerfristig zu einem Rückgang führen wird, wage ich zu bezweifeln, was aber ganz bestimmt passiert, ist, dass gute Bücher übersehen werden.

Christian Reister: Die familiäre Stimmung in Wien fiel mir letztes Jahr auch auf. Gerade im direkten Vergleich zu Kasseler Festival war das ein großer Unterschied. Und in Berlin gibt es nichts vergleichbares – da verzettelt sich alles in sehr viele verschiedene Grüppchen und Kreise. Die Wiener Fotografenszene scheint mir viel überschaubarer und gut vernetzt. Da kennt irgendwie jeder jeden, man scheint sich Erfolge zu gönnen, statt zu neiden, und wenn einer ein neues Buch macht, kauft man das allein schon aus Solidarität. Ich übertreibe jetzt ein wenig, und wahrscheinlich sieht es hinter den Kulissen dann auch etwas anders aus?

Klaus Pichler: Wien ist eine Ansammlung von vielen Dörfern, sagt man, und deshalb kennt auch jeder jeden. Ich finde die gegenseitige Unterstützung in Fotografenkreisen generell sehr angenehm – das ist etwas, was die Fotografieszene meiner Meinung nach sehr auszeichnet. Natürlich teilt es sich auch hier in verschiedene Grüppchen und Szenen auf, aber die Vernetzung funktioniert sehr gut. Ich denke, es liegt auch daran, dass es nicht die eine, große Institution gibt, die alles dominiert, sondern eine Vielzahl von Einzelinitiativen und kleineren Orten oder Festivals, die das Feuer beständig am Brennen halten. Das reißt mit und hält die Begeisterung am Leben.

Christian Reister: Welcher Bereich hat für dich den größeren Stellenwert: redaktionelles Arbeiten, Auftragsarbeiten oder die freie Kunst?

Klaus Pichler: Für mich macht es die Mischung aus allen drei Betätigungsfeldern aus, die das Feuer am Brennen hält. In den künstlerischen Arbeiten steckt natürlich am meisten Herzblut, weil es meistens Serien sind, an denen ich jahrelang gearbeitet habe. Die Kombination von künstlerischen Projekten und Aufträgen ist eine ganz bewusste Entscheidung, weil ich weiß, dass ich, wenn ich mich nur den künstlerischen Arbeiten widmen würde, über kurz oder lang irgendwas zwischen seltsam und wahnsinnig werden würde .Wenn ich an einem Projekt arbeite, dann gibt es nur das Projekt und nichts anderes, und das geht manchmal ganz schön an die Substanz. Deshalb ist es ganz angenehm, zwischendrin immer wieder Aufträge zu machen, weil sie mich irgendwie erden. Deshalb schätze ich die Aufträge sehr, weil ich dabei flexibel sein muss, mit Menschen in Kontakt komme und als angenehmer Nebeneffekt auch noch eine ständige technische Weiterentwicklung stattfindet. Am schönsten ist es natürlich, wenn irgendjemand eine künstlerische Arbeit von mir sieht und auf diesem Weg meine Auftragsarbeiten entdeckt und mich bucht. Da ist dann meistens die Freiheit sehr groß und ich kann meine Vorstellungen umsetzen, ohne große Kompromisse eingehen zu müssen.

Christian Reister: Eine Auftragsarbeit, die erst vor kurzem weit über den eigentlichen Kontext heraus Aufsehen erregt hat, war die Serie für Schock, eine Firma, die Küchen-Spülen herstellt. Sie lebt von verrückten, surrealen, fast psychedelisch anmutenden Bildideen und wilden Kombinationen aus „echter“ Fotografie und Photoshop-Geniestreichen. Schon die Idee, ein Küchenthema mit Pudeln und in derart schrillen Farben zu illustrieren, ist ja nicht ganz naheliegend. Wie wurdest du hier gebrieft? Sind die Bildideen im Team entstanden, waren sie exakt vorgegeben oder ist das auf deinem eigenen Mist gewachsen?

Klaus Pichler: Die Zusammenarbeit mit Schock ist genau so ein Idealfall wie gerade beschrieben. Sie haben mich vor zwei Jahren wegen ‚Just the two of us’, meiner Serie über Menschen und ihre Verkleidungen, kontaktiert, weil sie den Wahnsinn der Serie ähnlich in ihre Werbelinie integriert haben wollten. Ich habe dann noch Katharina Schaffer an Bord geholt, eine befreundete Stylistin und Grafikerin, weil ich im lieber im Team arbeite und gewusst habe, dass sie ein gutes Gefühl für Farben und Requisiten hat. Die Zusammenarbeit mit Schock geht mittlerweile ins dritte Jahr, derzeit bin ich wieder mit neuen Bildern für den Katalog 2016/2017 beschäftigt. Beim Brandbook des Vorjahres gab es kaum ein Briefing, außer, dass die Bilder der Spülen mit Tieren, bunt und positiv irritierend sein sollten – ansonsten bekamen wir völlig freie Hand. Wir haben dann, aufbauend auf die Markenwerte, vier Tiere ausgewählt (Pudel, Flamingo, Waschbär, Schildkröte), die die Hauptdarsteller der Bilder werden sollten und ein paar Skizzen gemacht – der Rest ist dann recht intuitiv entstanden. Wir haben dafür ein Kellerlokal gemietet, in dem wir unser Studio aufgebaut und uns drei Monate lang so richtig ausgetobt haben – mit Farben, Tieren, Requisiten etc. Es war eine sehr lustvolle und kreativ fordernde Aufgabe, die Spülen zu inszenieren und mit Tieren zu bespielen, und wir sind dabei definitiv Meister an der Stichsäge und am Farbroller geworden.

Christian Reister: Es steckt da, wie bei deinen freien Arbeiten, ein immenser Aufwand dahinter. Irgendwo habe ich mal über die Entstehung deiner Serie „One Third“ gelesen – Stillleben verdorbener Lebensmittel. Das ist ja nicht nur technisch und von der Inszenierung her auf höchstem Niveau – auch der ganze Aufwand drum herum mit den ganzen verschimmelten Lebensmitteln kann man sich kaum vorstellen. Die Lagerung, der Verwesungsprozess etc. Erzähl mal…

Klaus Pichler: Ich bin ja eigentlich gerne faul und denke mir bei jeder neuen Projektidee, dass ich es diesmal mit weniger Aufwand angehe, aber dann passiert es jedes Mal, dass der Ehrgeiz mit mir durchgeht und ich mir denke, wenn ich es jetzt schon mache, dann ordentlich, und dann ufert es aus. Das gehört mittlerweile zu meiner Arbeitsweise irgendwie dazu und ich mag das auch, weil ich eben vorher nie genau weiss, was hinterher rauskommt und durch die lange Arbeit dann immer ein Punkt erreicht wird, an dem ich es fast als Befreiung empfinde, wenn ich beschließe, dass ich fertig bin.

Bei „One Third“ hat es auch harmlos begonnen, ich habe halt zwei Plastikkisten für die verschimmelnden Nahrungsmittel in meiner Toilette gestapelt und gewartet, was sich bei den darin gelagerten Sachen so tut. Ich habe dann recht bald gemerkt, dass der Faktor Zeit wichtig ist und dass manches nicht so wird, wie ich das wollte und ich deshalb neu starten muss. Deshalb waren es am Schluss 13 Kisten und zwei blockierte Räume, dazu kamen ungefähr eine Million Mücken, eine ausgewachsene Paranoia und leichter Putzzwang. Ich habe mir damals gedacht, dass ich, wenn ich das Projekt für mich selbst glaubwürdig umsetzen will, auch mit den Nahrungsmitteln koexistieren muss – deswegen der ganze Wahnsinn. Insgesamt aber eine bereichernde Erfahrung, die ich – jetzt mit ausreichend Sicherheitsabstand – nicht missen möchte.

Christian Reister: Wer organisiert das alles? Assistenten? Ein Pichler-Büro?

Klaus Pichler: Haha, nein, das mache ich alles selbst. Ich mag es, eine One-Man-Show zu sein und alles klein und überschaubar zu halten, mir aber für Sachen, die ich nicht alleine machen kann oder will, Leute zu suchen, mit denen ich dann kooperiere. Für mich ist das zentrale Element rund um die Fotografie immer noch die Leidenschaft und die Freude daran, und deshalb schaue ich, dass ich immer den Überblick behalte und so viel wie möglich selbst erledige. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten ja immer auch Verantwortung, weil es eben Leute sind, die von einem abhängig sind, und deshalb habe ich mich bewusst dagegen entschieden, mit Gewalt zu expandieren – so kann ich auch garantieren, dass jedes Projekt und jeder Job, den ich mache, mit voller Konzentration entsteht und ich nichts machen muss, das ich nicht machen will.

Christian Reister: Spontan: drei Fotobücher oder -ausstellungen, die dich in letzter Zeit beeindruckt haben?

Klaus Pichler: Ich bleib mal bei den Büchern, weil die eher mein Metier sind als Ausstellungen. Meine drei ewigen Fotobuch-Lieblinge, die mich seit Jahren begleiten und die ich immer wieder mal ansehe sind ‚Das Land‘ von Manfred Willmann, ‚Office‘ von Lars Tunbjörk und ‚Ray’s a laugh’ von Richard Billingham. Diese drei Bücher ziehen mich auch nach dem hundertsten Ansehen immer noch in ihren Bann, weil sie alle etwas haben, das ich ‚Melodie‘ nennen würde, also eine Dramaturgie und einen Sog, der etwas mit einem anstellt, während man die Bücher ansieht. Außerdem habe ich gerade einen schon älteren Roman gelesen, der mich durch seine eindringlichen Beschreibungen und die Originalität der Sprache sehr beeindruckt hat, nämlich ‚Verlorene‘ von Cormac McCarthy.

Christian Reister: Gib uns doch zum Abschluss noch einen Ausblick, was als nächstes von dir zu erwarten ist.

Klaus Pichler: Derzeit stecke ich mitten in den Arbeiten zum nächsten Buch, das programmgemäß im September erscheinen wird. Fotos und Texte sind schon fertig, jetzt geht es ums Layout und um die Auswahl der passenden Materialien. Thematisch und auch ästhetisch wird es wieder völliges Neuland werden, wie man es von mir kennt – ich mag es ja, mich mit jedem Projekt quasi neu zu erfinden, aber trotzdem einen roten Faden erkennbar werden zu lassen. Mehr mag ich noch nicht verraten, weil ich es für das Projekt am besten finde, wenn es ohne vorauseilende Erklärung erscheint, aber so lange ist es ja nicht mehr hin bis September.

Danke jedenfalls für das Interview und die spannenden Fragen, hat mir sehr viel Freude gemacht.

Christian Reister: Und mir erst, vielen Dank zurück!

Klaus Picher fotografiert von Florian Rainer

Klaus Pichler ist Fotograf und lebt in Wien. In den letzten Jahren hat er mehrere erfolgreiche Fotobücher veröffentlicht, zuletzt „Golden Days Before They End“ (Edition Patrick Frey, 2016), „Dust“ (Anzenberger Edition, 2015) und „Just The Two Of Us“ (self-published, 2014).

www.kpic.at

Foto links: Klaus Pichler, fotografiert von Florian Rainer