„Wenn jemand die Galerie in einer anderen Stimmung – hoffentlich positiver – verlässt als er reingekommen ist, dann bin ich happy!“ – Jens Pepper im Gespräch mit Michael Biedowicz von ‚pavlov’s dog‘.

"Slippy Floor", eine der ersten Ausstellungen in der Galerie pavlov's dog (2011)

Jens Pepper: Als Fotograf Autodidakt, aber mit einem Abschluss von der Kunsthochschule Weißensee, Theaterfotograf am Berliner Maxim Gorki Theater, Gründungsmitglied der taz ddr, Bildredakteur, u.a. beim Henschel Verlag, noch zu DDR-Zeiten und auch heute noch beim Zeit magazin und noch vieles mehr. Diese Infos habe ich von der Homepage der Ostkreuzschule, wo du als Gastdozent tätig bist. Ein Leben für die Fotografie, anders kann man es nicht beschreiben. Seit ein paar Jahren betreibst du nun auch noch mit mehreren Partnern zusammen die kleine Fotogalerie pavlov’s dog in Berlin Mitte. Wer hatte die Idee zu diesem Ort und gab es mit der Gründung ein klares Konzept für das Programm?

Michael Biedowicz: Die „kleine“ Fotogalerie pavlov’s dog hat einen existierenden Galerieraum übernommen, Anfang 2011 war das. An gleicher Stelle befand sich eine Galerie mit den Namen „Berg 19“, betrieben von der Fotografin Petra Karadimas. Sie hatte eines Tages Nachfolger für Ihren Raum gesucht und dann kamen ganz schnell sechs Kollegen, die sich mehr oder weniger gut kannten, zusammen. Uns verband das Medium Fotografie, wir hatten alle irgendwie damit zu tun, als Fotografen oder Bildredakteure. Wir Gründungsmitglieder wollten zunächst einmal den Ort erhalten und dafür sorgen, dass es mit Ausstellung weitergeht und auch verhindern, dass der Kommerz dort einzieht oder noch ein weiterer Späti aufmacht.

Nach den ersten Zusammenkünften war ganz schnell klar, dass wir nicht nur einen guten Namen sondern ein neues Konzept brauchen. Klar war zuerst nur, dass sich alle Ausstellungen stark voneinander unterscheiden sollten und dass wir in den Nischen der Fotografie die spannenderen Projekte fanden, alles war denkbar – aber bloß keinen Mainstream!

Jens Pepper: Wer waren die Gründungsmitglieder und ist die Mitgliederstruktur heute die gleiche wie damals?

Michael Biedowicz: Das waren die Gründungsmitglieder: Daniel Hahn, Isabell Köhncke, Bernhard Moosbauer, Mirjam Siefert und Pamela Spitz – mit mir sechs. Der Kollektivgedanke war in der frühen Phase sehr wichtig und hat uns auch eine stabile Struktur gegeben. Nach ungefähr drei Jahren, als die erste Euphorie nachgelassen hat, brauchten wir aber eine Perspektive – wohin soll die Reise gehen und wie wollen wir uns entwickeln? Da haben wir festgestellt, dass jeder von uns andere Ideen über die Ausrichtung hatte. Einige haben die Galerie verlassen, aus den unterschiedlichsten Gründen – neue Mitglieder kamen hinzu und blieben manchmal kürzer oder länger. Die Struktur aber blieb. Interessanterweise denke ich seit diesen Tagen, dass das Modell sich eventuell überholt hat und nicht mehr richtig passt.

Jens Pepper: Warum habt ihr euch nach dem berühmten Experiment Pavlovs benannt? Um damit der Zielsetzung, bloß nicht Mainstream sein zu wollen, einen anderen Weg gehen zu wollen, Nachdruck zu verleihen?

Michael Biedowicz: Die Namensfindung war der Punkt der am längsten und ausgiebigsten diskutiert wurde. Wir hatten uns die Vorgaben gegeben, dass der Galeriename auf Deutsch und Englisch funktionieren sollte und dass die naheliegenden Begriffe für eine Galerie: „ art- “, „Photo – “ und „Kunst – “ tabu waren. Das war uns zu unoriginell.

Mir fiel eines Tages ein Refrain eines Liedes ein, da kam der Begriff „pavlov’s bell“ ( Frustrating von SJ Essau, heißt der Song) vor – und ich dachte , die Experimente mit der Konditionierung von Iwan Pavlov kann man auch auf die Kunst und einen Galeriebetrieb anwenden. Ausschlaggebend war aber dass es catchy klingt und auch merkfähig. Ein Berater, den wir zum Glück nicht hatten, hätte die Hände über den Kopf zusammengeschlagen.

Jens Pepper: In welche Richtung würdest du denn gerne den Galeriebesucher konditionieren? Das klingt, als ob dir bzw. euch etwas in der Rezeption von Fotografie in Deutschland fehlt.

Michael Biedowicz: Die Konditionierung im verhaltensbiologischen Sinne meint: Du machst 20 gute Ausstellungen, die Leute kommen und goutieren das. Die 21. Ausstellung musst Du nur noch ankündigen und Du erzielt den gleichen positiven Effekt.

Aber im Ernst, ich möchte unsere Besucher weder konditionieren noch wünsche ich mir den idealen Galeriebesucher. Ich bin froh, wenn jemand die Galerie in einer anderen Stimmung ( hoffentlich positiver) verlässt als er reingekommen ist – dann bin ich happy! Die besten Momente waren für mich immer, wenn es zwischen fremden Menschen eine Kommunikation ausgehend von den ausgestellten Bilder gibt. Man redet plötzlich miteinander, weil ein Bild eine Brücke schlägt.

In der Beschaffenheit unseres Galerieraumes liegt eine Besonderheit – er ähnelt eher einem Salon als einem White Cube Space. Uns ist der Besucher wichtig, für ihn machen wir Ausstellungen und andere Aktivitäten. Bei einer White Cube Gallery denke ich immer, dass Betrachter eher störend sind. Es gibt ja Menschen, die sich in keine Galerie trauen, weil sie sich dort unwohl fühlen und fürchten dass sie dort in Gespräche verwickelt werden bei denen sie sich blamieren – genau das Gegenteil wünschen wir uns bei pavlov’s dog. Die Fotografie ist eins der zugänglichsten Medien, aber seit sie im Kunstmarkt fest verankert ist, kommen auch schreckliche Attitüden hinzu, Eitelkeiten und elitäres Denken. Das stört mich total.

Wir hatten im letzten Jahr eine Veranstaltung mit dem Schauspieler Matthais Matschke gemacht. Das Programm nannte sich „Keine Ahnung warum ich das fotografiert habe“ – Matschke hat schlichte Amateurfotos der Besucher spontan kommentiert und interpretiert, ein ganz großer Spaß! Matthias ist übrigens ein Fördermitglied der Galerie, darüber bin ich sehr froh!

Jens Pepper: Wenn du von Attitüden und elitärem Denken sprichst, wen meinst du damit genau? Du sprichst von Galeristen und Kunstvermittlern, oder? Ich komme ja selber aus dem Galeriebetrieb und habe so etwas bei den meisten Kollegen eigentlich nicht erlebt, zumindest nicht in auffällig hoher Dosierung. Und in meinen eigenen Galerien war die direkte Kommunikation mit jedem Besucher immer wichtiger Bestandteil der Arbeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass pavlos’s dog Menschen anlockt, die gleichzeitig Angst vor einem Besuch in anderen Galerien haben. Die, die Angst vor Kunst oder einer inquisitirischen Befragung in einer Galerie haben, werden das Gefühl auch vor eurer Tür nicht ablegen, insbesondere wenn nur der Galerist oder die Aufsicht aber kein anderer Besucher durch das Fenster zu sehen ist.

Michael Biedowicz: Ich kenne auch nur gute und engagierte Kollegen die Spaß an den Werken und noch mehr Spaß an der Vermittlung haben. Was ich meine ist die „Institution Galerie innerhalb des Kunstmarkts“ die sich elitär geben muss – der Markt verlangt es so. Kunst lebt vom Ausschluss – das habe ich in den sieben Jahren gelernt. Wer auf dem Kunstmarkt bestehen will, muss sich mit den undurchsichtigen Gepflogenheiten des Marktes arrangieren. Da werden exklusive Galerie Dinner veranstaltet, Previews etc. – es soll dem Sammler oder potentiellen Käufer immer ein Gefühl der Auserwähltheit vermittelt werden, quasi wir nehmen dich in diesen Kreis auf – und schon fühlt sich der Eingeladene geehrt. Ich selbst war als Gast einer Preview zur MoMa Wiedereröffnung in New York einladen. Ich fühlte mich an diesem Abend als etwas Besonderes, das hielt aber nur solange an bis ich erfahren habe, dass es am Abend vorher schon eine Pre-Preview gab. Ich will das System gar nicht kritisieren, es funktioniert und ist somit nicht anzuzweifeln.

Was mich aber eher auf diesem Feld stört, sind oftmals die begleitenden Texte zu Ausstellungen. Da liest man leider allzu oft Unverständliches. Die verzweifelten Versuche sich durch geschraubte Formulierungen auf eine Metaebene zu katapultieren sind schon manchmal grotesk.

Jens Pepper: Gibt es Kunstvermittler, Fotohistoriker, Kritiker, Kuratoren etc. deren Schreibe du besonders schätzt, die du als Beispielhaft ansiehst?

Michael Biedowicz: Da denke ich vor allem an die Großmeister Klaus Honnef und Hubertus von Amelunxen. Sie waren und sind für mich wichtig, ihre Reflexionen zum Medium Fotografie haben mich ganz stark geprägt. Bei der jüngeren Generation fällt mir spontan Ulf Erdmann Ziegler ein: schlaue Texte! Vor allem schätze ich bei ihm die Fähigkeit, sich mit allen Sinnen (und nicht nur durchgeistigt ) mit der Fotografie einzulassen – ergebnisoffen!

Bei pavlov’s dog haben wir uns recht bald auf einen literarischen Zuschnitt der Texte geeinigt. Das passt am besten zur Galerie – vielleicht auch deshalb weil wir damit Brücken zu anderen Genre schlagen wollen.

Jens Pepper: Interessant; gerade Texte von Amelunxen finde ich ja ziemlich geschraubt und für einen Laien, den man für die Fotografie begeistern möchte, eher ungeeignet. Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sind. Wer schreibt denn für euch die Texte, wenn ein literarischer Zuschnitt erwünscht ist?

Michael Biedowicz: Aktuell gerade ich selbst! Ich bin Dir dankbar für Deine Anmerkung, die mich dazu bringt darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, an den Adressaten zu denken.Theorie wird außerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses immer schwer konsumierbar erscheinen. Will ich die Rolle des Vermittlers annehmen, dann wird es fraglich ob ich mit dem Sound eines theoretischen Textes gut beraten bin. Mein Verdacht ist, dass er auch Mittel einer Distinktion ist.

Pavlov’s dog setzt im seinem Programm auf eine Sinnlichkeit der Fotografie, wir beteiligen uns weniger an einer theoretischen Erforschungen des Mediums. Daher gilt für den begleitendenText: Verständlichkeit ist oberstes Gebot, das bedeutet aber nicht Gedankenarmut ! Die besten Ausstellungstexte stammen von Andreas Wolf, er war für kurze Zeit Mitglied der Galerie und sein Textverständnis beruhte auf gut lesbare Literatur: ein, zwei gute Gedanken und diese schön formuliert. Besser hat nie wieder jemand für die Galerie geschrieben. Für die nächste Ausstellung von Alexander Gehring schreibe ich den Text – harte Arbeit für mich, aber ich merke, dass der Reiz der Überforderung funktioniert.

Jens Pepper: Wie kommen die Bilder zu euch in die Galerie? Sucht ihr aktiv, stellen sich Fotografen und Fotografinnen vor, … es gibt da ja verschiedene Wege, um an gute Ausstellungen zu kommen.

Michael Biedowicz: Das ist sehr unterschiedlich: meistens ist es ein Künstler den man toll findet und dann bespricht man ein Ausstellungskonzept, das auf die Größe der Galerie zugeschnitten ist. Im Idealfall wäre das eine Ausstellung die nur bei pavlov’s dog funktioniert. So war das z. B. mit Michael Wesely. Seine Idee war es Menschen mit dem Namen „Pavlov“ zu porträtieren – eine super Idee die 100%ig auf unsere Galerie zugeschnitten war. Wir haben dann versucht viele Pavlovs in Berlin zu finden, alle Mittel waren recht. Wesely hat leider die Frauen die natürlich Pavlova hießen, nicht haben wollen. So mussten wir auch ein russischen It-Girl aussortieren, Anna Pavlova hieß sie. Das war schade.


Natürlich wenden sich auch viele Künstler an die Galerie, das ist meistens weniger erfolgreich. Ein Galerist will jemanden entdecken, das bringt den meisten Spaß. Was überhaupt nicht geht, sind Künstler die sich per Sammelanschreiben melden.

Jens Pepper: Beschließt ihr alle Ausstellungen im Team oder hat jeder von euch auch die Möglichkeit, mal das zu zeigen, was einem persönlich wichtig ist?

Michael Biedowicz: Wir beschließen im Team über die nächsten geplanten Dinge, meistens im Konsens. Bisher kam es auch nie zu Blockaden oder ähnlichem. Wenn jemand partout eine Idee eines Künstlers nicht mag, dann zieht er sich etwas zurück. Im Gründungsgedanken liegt ja auch die Vielseitigkeit des Programms. Mir ging es nur einmal so, dass ich ein Ausstellungskonzept emotional nicht mittragen konnte. Wir haben das Grafikkollektiv Hypgnosis präsentiert, ihre Schallplatten Cover sind echte Klassiker: Pink Floyd, Led Zeppelin u. v. a.m. – ein hochinteressantes Kapitel der Pop Kultur. Nur wollten die beiden Macher ihr ganzes Werk zeigen, dass in den 80ziger Jahren leider nur noch durchschnittlich war. Die Ausstellung war dann nur eine uneditierte und leider auch unreflektierte Werkschau. Aber wir haben daraus gelernt, dass die Idee des Künstlers auch einen Konterpart braucht, einen Partner mit einer Haltung.

Jens Pepper: Was steht denn auf eurer Wunschliste, also welche Ausstellung bzw. Ausstellungen würdet ihr gerne machen? Ich weiß, dass du gerne etwas mit Daniel Josefsohn gemacht hättest. Gibt es diesbezüglich noch Pläne?

Michael Biedowicz: Mit Daniel Josefsohns Arbeiten machen wir auf jeden Fall wieder eine Ausstellung. Er hinterließ einen so riesigen Bilderschatz. Wir sind da auch schon ganz weit mit der Planung. Ich bin ganz optimistisch, dass wir es noch in diesem Jahr realisieren können. Mit Daniel hatte 2011 die Galerie eröffnet. an einem bitterkalten Februartag kamen hunderte Leute. Es war der perfekte Start für uns. Übrigens auch für Daniel. Er war damals im Gespräch mit den Volksbühnen Leuten, es ging um den Posten als Posten des Kreativ Direktors. Er hatte sie zur Eröffnung eingeladen, einen Tag später war er engagiert.

Die nächste Ausstellung bestreitet Alexander Gehring, ein Künstler den wir vertreten. Sein Thema ist diesmal die Beziehung von Alchemie und Fotografie – es wird ganz sicher spannend! Was ich darüber hinaus verraten darf: beim EMOP sind wir hoffentlich wieder dabei – ich darf nicht vergreifen, die Jury muss zunächst darüber befinden. Ich mag diesen Monat der Fotografie sehr – ein immer besser organisiertes, hierarchieloses Publikumsfestival. Beim letzten Mal hatte ich eine Besucherin aus Australien die zu mir sagte: endlich bin ich bei pavlov’ dog, der Galerie von der ich so oft gehört habe.

Jens Pepper: Das heißt, ihr vertretet Künstler auch so wie klassische Galerien es tun, ihr kümmert euch langfristig um Partnergalerien, Ausstellungen in Institutionen, um Presse und um Käufer? Wie bringt ihr das mit euren Brotjobs unter einen Hut? Hat jeder im Team da eine bestimmte Aufgabe , vielleicht den persönlichen Fähigkeiten entsprechend?

Michael Biedowicz: Ja, wir machen es so wie viele: einige Künstler vertreten wir, das bedeutet eine gewisse Bindung für beide Seiten. Wenn einer der Partner meint, das bringt nichts mehr, lösen wir diese Verbindung auch wieder auf. Das bedeutet, man geht einen gemeinsamen Weg: supportet die eigenen Künstler wo es nur geht und erwartet eine gute Entwicklung des Künstlers. Partnergalerien haben wir nicht, zu der einen oder anderen Galerie gibt es schon einen guten Draht – man besucht sich, und versucht Synergien hinzubekommen. z.B. die Vernissagen zu koordinieren.

Ja, jeder von uns hat ja noch einen Brotjob ohne den wir uns nicht halten könnten. Es ist schon viel Arbeit, die die Galerie erfordert, das bedeutet Selbstausbeutung – darüber darf man gar nicht rational nachdenken, sonst verliert man die Lust. Zuständigkeiten sind natürlich an persönliche Vorlieben geknüpft. Einmal wurde es eng, der Webdesigner ist ausgestiegen und keiner konnte ihn so schnell ersetzen. Was tun ? Ich habs dann versucht und html gelernt – ohne Galerie hätte ich das nie angefangen. Ich find es wunderbar!

Überhaupt, ich würde den Job des Galeristen nicht machen, wenn ich nichts zurückbekommen würde. Mit jeder Ausstellung ist mein Erfahrungsschatz gestiegen, ich hatte durch die Galerie so tolle Menschen kennengelernt und das Medium ganz neu erfahren. Als Bildredakteur setzt man Fotografie im journalistischen Sinne ein, das ist immer mit einer Absicht verbunden, mal ganz offensichtlich, mal sehr diffizil. In der Galerie gibt es das nicht: Hier kann die Fotografie auch mal ganz absichtslos sein, kann ganz bei sich sein.

Jens Pepper: Mit Edward B. Gordon vertretet ihr auch einen Maler. Wie kommt das?

Michael Biedowicz: Ja in der Tat, das ist etwas ungewöhnlich für eine Fotogalerie. Es hat vielfältige Gründe: erstens: Sein Blick ist fotografisch, für einen Maler etwas ungewöhnlich. Viele seiner Motive sind wie fotografische Momentaufnahmen. Zweitens: Malerei verkauft sich grundsätzlich gut, es gibt da keinen Zweifel, dass ein Ölbild ein Unikat ist. Wie viel schwieriger ist es einem Kunden die Gepflogenheiten der Fotowelt mit ihren künstlich limitierten Editionen zu erklären. Drittens: mit Edward verbindet mich nicht zuletzt eine Freundschaft. Wir sind aber beileibe nicht die einzige Galerie, mit der Edward arbeitet. pavlov’s dog hat zwei sehr erfolgreiche Ausstellungen mit Edward B. Gordon ausgerichtet, an die ich mich gern erinnere.

Jens Pepper: Ah, die Auflagen. Das wäre in der Tat mal ein extra Gespräch wert. Wie du weißt, habe ich so meine Probleme mit einer Limitierung von Fotografie. Es gibt genug Beispiele, dass hohe Auflagen oder fehlende Auflagen keineswegs zu niedrigen Preisen von guten und/oder wichtigen fotografischen Werken führen. Die künstliche Verknappung widerspricht den Möglichkeiten des Mediums Fotografie vollkommen und ist ausschließlich als Instrument zu sehen, möglichst schnell möglichst hohe Preise für einzelne Werke zu erzielen, selbst von gänzlich unbekannten Fotografen und Fotografinnen. Der Galerist Volker Diehl erzählte mir im vergangenen Jahr, dass er es gerne hätte, wenn die von ihm gehandelten Fotografen nur jeweils einen Print herstellen und dann das Negativ vernichten oder die Datei löschen. Ich finde das absurd. Also, ein Thema für die Zukunft Michael.

Wie sieht es denn bei euch auf der Einnahmeseite aus? Trägt sich die Galerie, buttert ihr Eigenkapital zu oder verschafft sie euch als Galeristen zumindest gelegentlich auch mal ein kleines Extraeinkommen?

Michael Biedowicz: Über die Editionspraxis kann man lange referieren und versuchen dieses Gebaren transparent zu machen. Es hilft nicht viel und für die potentiellen Käufer bleibt es rätselhaft, warum ein Medium sich so selbst beschränkt. Es sind die Gesetze des Kunstmarktes die hier greifen – eigentlich sehr schade, denn in ihrem Wesen ist die Fotografie ja sehr demokratisch. Ein jeder kann das Bildermachen schnell erlernen und neuerdings auch im Handumdrehen für alle publik machen.

Du sprichst die Einnahmen an, darauf muss ich sogleich kontern: welche Einnahmen?? Wir können uns nur halten, indem wir alle Betriebs(un)kosten teilen, sodass es den Einzelnen nicht ganz so doll schmerzt. Man muss es ganz klar sagen, ohne unsere finanziellen Beiträge ginge nichts. Hinzu kommt noch die Selbstausbeutung, denn die Arbeit eines jeden wird natürlich auch nicht bezahlt.

Es gibt ab und an Verkäufe – zum Glück! Neben dem finanziellen Gewinn ist aber der ideelle Effekt fast stärker. Ein Käufer findet ein Bild so gut, dass er es für Geld erwirbt. Ich bin dann immer sehr gerührt. In der Anfangsphase hatten wir überlegt, dass es eine Gefahr sein könnte, sich über Verkäufe zu finanzieren – das könnte ja das Programm beeinflussen und wir könnten zum Kommerz verführt werden. Sieben Jahre später sieht alles ganz anders aus – der Markt ist viel unerbittlicher geworden und Berlin-Mitte ist so teuer wie noch nie. Das soll nicht verbittert klingen, ich wollte das Geschäft eines Galeristen lernen und bin froh, dass es damit noch nicht zu Ende ist.

Jens Pepper: Diese Sorge vor betriebswirtschaftlichen Elementen im Galeriebetrieb sollten wirklich nicht als Gefahr für ein gutes Galerieprogramm gesehen werden, insbesondere dann, wenn Künstler fest vertreten werden, wie ihr es ja ansatzweise auch macht – derzeit immerhin fünf Personen, u.a. Andreas Rost. In der Regel erwarten die dann ja ein Engagement in Bezug auf mögliche Verkäufe; deshalb stimmen sie ja einem Vertretungsanspruch zu. Natürlich ist die Verantwortung für das Unternehmen dann eine andere, man ist nicht mehr nur für seine eigenen Ideale zuständig. Der Gedanke an mögliche Kunden wird raumfüllender.

Ihr macht gelegentlich auch Veranstaltungen, wie die von dir erwähnte mit dem Schauspieler Matthias Matschke, der mitgebrachte Fotos der Veranstaltungsbesucher spontan kommentiert hat, Geschichten aus ihnen entwickelt hat. Das klingt spannend. Kommen zu solchen Veranstaltungen Menschen, die sonst womöglich nicht in eure Galerie kommen würden?

Michael Biedowicz: Richtig, die Erwartungen an ein Engagement seitens der Galerie sind hoch, diese versuchen wir nach unseren Möglichkeiten auch zu erfüllen – z. B. dass man Kunstmessen ansteuert. Das geht jedoch nur, wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, so eine Koje kostet viel Geld und das Risiko ist hoch. Zweimal waren wir auf Messen, der Wert bestand auch hier mehr oder weniger im Erkenntnisgewinn.

Neben den Ausstellungen sind die vielfältigsten Veranstaltungen fester Bestandteil des Programms. Wir hatten schon alles: Vorträge, Filmaufführungen, Book Lauches, Portfolio reviews, artist talks . Das ungewöhnlichste war sicher die Veranstaltung mit Matthias Matschke, der auch Mitglied der Galerie ist, die wir schon bald wiederholen. Matthias ist eine ganz große Stütze der Galerie. Seine Partnerin hatte die Idee zu dieser Performance, dass Matthias zu Bildern die er zum ersten mal sieht, frei assoziiert und Geschichten erfindet- ein Riesenspass!! Dahinter steckt aber auch ein Gedanke: das Medium Fotografie bietet so viel Stoff – z. B. auch in der Amateurfotos. pavlov’s dog möchte die ganze Palette abdecken – nur eins darf nicht passieren: das Publikum langweilen.

Jens Pepper: Gibt es fotografische Werke, die dich im Laufe deines Lebens visuell persönlich am stärksten geprägt haben? Oder war da immer die Liebe zur gesamten Fotografie?

Michael Biedowicz: Ich habe meine Obsession zur Fotografie erst spät benennen können. Es war einfach der Fakt, dass ich diese Sprache verstehen konnte und in mir wuchs die Idee, mich auch so ausdrücken zu wollen. Ich wollte die Sprache der Fotografie erlernen – ein klassischer Autodidakt eben. Dann prägten mich auch ganz besondere Ausstellungen, Sugimoto in der Neuen Nationalgalerie zum Beispiel.

Jens Pepper: Was gefällt dir an Hiroshi Sugimoto? Sein Werk besteht vor allem aus seriellen Projekten, wie die Seestücke, die Lanzeitbelichtungen von Kinoleinwänden während der Vorführungsdauer eines Films, die Wachsfiguren usw. Bei ihm ist alles Konzept, die Arbeiten sind bis ins Detail geplant, Spontanität gibt es bei ihm nicht, lebende Menschen ebenfalls nicht.

Michael Biedowicz: Sugimotos Schau in der Neuen Nationalgalerie ist ein Beispiel für eine ganz besondere, ich möchte sagen ganzheitliche Präsentation. Noch nie hatte ich vorher oder später wieder so eine Form der Überwältigung durch Fotografie erlebt. Es war das perfekte Raumerlebnis. Tillmans steht natürlich auch dafür.

Jens Pepper: Du sprichst jetzt von der Hängung, oder? Ich habe die Ausstellung in der Nationalgalerie nicht gesehen, ich habe Sugimoto auch nur einmal in der Deutschen Guggenheim Berlin in einer Einzelpräsentation gesehen, aber die war klassisch gehängt. Wie war das in der Neuen Nationalgalerie?

Michael Biedowicz: „Hängung“ ? – der Begriff wäre viel zu klein für diese Offenbarung. Es hatte fast schon etwas religiöses. Die Geschichte des Hauses ( und nicht zuletzt der Moderne ), die Bilder , die ganze Klarheit des Konzepts – alles griff ineinander, das war einmalig. Richtig gute Fotoausstellungen können so besondere Erlebnisse sein, dass auch jeder Versuch der Wiedergabe in Katalogen etc. scheitert. Mir ist und war immer der Raum wichtig, er ist ja viel mehr als Kulisse oder Stellfläche. In ihm nehmen wir die Kunst war und dieses Zusammenspiel beeinflusst unsere Wahrnehmung. Der direkte Kontakt mit der ausgestellten Fotografie wird auch nur im Ausstellungsraum komplett sein und schafft den Dialog mit dem Betrachter. Das ist jetzt mal ein Plädoyer für den Galerie- und Museumsbesuch, oder ?

Jens Pepper: Oh ja, das war leidenschaftlich vorgetragen. Überlasst ihr bei pavlov’s dog die Konzeption der Hängung den Fotografen, entscheidet ihr gemeinsam mit den Ausstellenden, oder entscheidet ihr als Kuratoren selber?

Michael Biedowicz: Es läuft in der Regel so: die allermeisten Künstler kommen mit einem Hängekonzept, das haben sie so im Kopf. Dann kommt die wunderbare Phase, diese Idee im Raum umzusetzen – und dann merkt man schnell, es funktioniert, oder manchmal auch nicht – und alles ist wieder offen. Ich mag das und finde das ganz großartig! Wir verstehen uns dabei auch als Mentoren und versuchen die Ausstellungsidee sichtbar zu machen. Die Haltung der Galerie ist wichtig, es geht nicht darum einen Raum herzugeben unter dem Motto, so tobt Euch aus – nein, die Galerie hat ja eine Idee, was sie will und nicht zuletzt auch gesammelte Erfahrung, welche Wirkung erzielt werden kann. Der Prozess der Hängung ist hochintensiv und meistens auch konfliktfrei. Mich macht das immer glücklich und das möchte ich nie mehr in meinem Leben missen.

Jens Pepper: Als ihr Oliver Marks schwarzweiße Polaroids bzw. Impossible-Aufnahmen gezeigt habt, gab es sowohl original Sofortbilder von ihm zu sehen als auch große Bilder, also gescannte Originale, die vergrößert geprinted wurden. Gab es diese Vergrößerungen als Editionen zu kaufen oder waren es lediglich Ausstellungsprints, die nicht zum Verkauf standen? Ich frage das, weil ich die Ausstellung nicht gesehen habe. Sie hätte mich aber interessiert, da ich seine zu diesen Aufnahmen bei Hatje Cantz erschienene Publikation in Heftform im Folioformat daheim habe und sehr interessant finde.

Michael Biedowicz: Die Original Impossible Polaroids konnte Oliver gar nicht zeigen, sie waren schon 3 Monate nach der Aufnahme verblichen. Ich weiß nicht, ob das Impossible Material inzwischen haltbarer ist – sie sollten diese nicht unwichtige Information auf ihre Schachtel schreiben. Man muss also beizeiten das Bild einscannen, sonst ist es für immer verschwunden. Wir hatten vom Künstler die Daten bekommen und ausgeprintet, als A1A artprints in verschiedenen Größen. Diese hatten eine Auflage, ich glaube 3+ 1 und 5+1. Ich erinnere mich gern an das Projekt, es waren zumeist Prominente auf den Bildern zu sehen, aber jenseits von Glamour – sehr raues Material.

Jens Pepper: Doch, doch, Impossible hatte den S/W-Film dann noch in den Griff bekommen. Das Grau wurde zwar teilweise mit der Zeit Sepia, aber die Bildinformation blieb erhalten. Jetzt, nachdem Impossible wieder Polaroid ist, habe ich den Film noch nicht auspropiert. Wollen wir es bei diesem Schluss lasssen? Wir könnten ja noch ewig weiterreden, aber lass uns das beim Pepper’s Photo Chat Live im April machen, wenn du mein Gast bist. Ich freue mich schon darauf. Besten Dank für heute Michael.

Michael Biedowicz: Gut, wunderbar, hat Spaß gemacht lieber Jens!

Michael Biedowicz fotografiert von Darius Ramazani

Michael Biedowicz wurde 1955 geboren. Als Fotograf Autodidakt, jedoch mit Abschluss an der Kunsthochschule Weißensee. Zehn Jahre lang war er Fotograf am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Freie journalistische Arbeiten, dann ab 1988 Bildredakteur im Henschel Verlag. Gründungsmitglied der „taz ddr“. Seit 1997 bei der Zeit, derzeit als Bildredakteur des ZEITmagazins. 2011 war er Gründungsmitglied der Galerie pavlov’s dog. Nebentätigkeiten als Dozent und Jurymitglied.

http://www.pavlovsdog.org/

Foto links: Darius Ramazani

„Es geht ausschließlich um Scheinheiligkeit, Doppelzüngigkeit, Geschäft und Geld. Alles in Farbe.“ – Jens Pepper im Gespräch mit Paweł Jaszczuk

Foto: Pawel Jaszczuk

Jens Pepper: Bevor ich dich persönlich kennengelernt habe, kannte ich bereits dein Buch Kinky City, das bei dienacht publishing erschien, Everything you do is a Balloon, veröffentlicht von Lieutenant Willsdorff in Frankreich sowie den Gemeinschaftskatalog zusammen mit Nobuyoshi Araki, der anläßlich der Ausstellung in der Leica Galerie in Warschau 2014 herausgegeben wurde. Sie alle zeigen Fotografien, die du in Tokyo gemacht hast. Auf deiner Homepage gibt es noch weitere Serien aus Tokyo. Erzähl mir von deinem Fokus auf japanische Szenerien und warum du keine Fotos zeigst, die hier in Warschau entstanden sind.

Paweł Jaszczuk: Wenn du dich mit Tokyo beschäftigst ist das eine nie enden wollende Geschichte. So viele Möglichkeiten. Es ist wie ein Buch mit Tausend Geschichten, das aber nie zuende ist. Als ich ca. 2003, 2004 ankam war ich vom ersten Moment an sprachlos. Alles, und ich meine alles, war vollkommen anders als alles was ich bisher gesehen hatte und ich war schon viel gereist. Die Stadt ist wie von einem anderen Planeten. Liebe auf den ersten Blick. Mir sind sofort die Menschenmassen aufgefallen, was nicht weiter schwer ist, und ich wusste, ich würde mich darauf konzentrieren den Trubel und die Hektik in der Stadt zu fotografieren. Warschau? Ich lebe und arbeite jetzt in Warschau, nach fast einem Drittel meines Lebens im Ausland komme ich jetzt zurück. Also sei geduldig, die Fotos aus Warschau kommen. Allerdings glaube ich nicht, dass es von Bedeutung ist wo du lebst und woher du bist, sondern was du zu sagen hast. Der Inhalt ist am wichtigsten.

Jens Pepper: Was hat dich überhaupt nach Japan verschlagen? Warum hast du Polen verlassen?

Paweł Jaszczuk: Ich habe Polen auf der Jagd nach Abenteuern verlassen. In meinen frühen Zwanzigern hatte ich nicht die Prüfungen für die Kunstakademie in Łódz bestanden. Zu dieser Zeit plante mein bester Freund eine Reise nach Sydney und eines Tages haben wir beschlossen, dass wir gemeinsam dorthin gehen. In Sydney habe ich dann Reiko getroffen, ein japanisches Mädchen, das mein Leben veränderte. Sie ist heute meine Frau, aber das ist nur eine weitere romantische Geschichte. Nach meinem Abschluss an der Schule für Bildende Künste in Sydney 2004 sind wir dann beide nach Tokyo gezogen. Sie musste dorthin zurück und ich bin ich gefolgt.

Jens Pepper: Wie wolltest du in Tokyo deinen Lebensunterhalt verdienen? Hast du Japanisch gesprochen?

Paweł Jaszczuk: Von Anfang an war es mein Wunsch und mein Bedürfnis Fotos zu machen. Das hatte bei mir immer größte Priorität, auch heute noch. Nach unserer Ankunft habe ich sehr viel fotografiert, alles und jeden Tag. Später, als ich mich ein bisschen beruhigt hatte, begann ich mehr nachzudenken, zu planen und mich besser zu organisieren. Und die Sprache? Ich habe eine Sprachschule besucht, so dass ich ein Basisjapanisch lernte. Nachdem meine Tochter geboren wurde, hörte ich auf mit der Schule und habe zumeist Englisch gesprochen.

Jens Pepper: Ist Reiko auch eine Künstlerin?

Paweł Jaszczuk: Sie hat einen Abschluss von einer Kunstschule, aber nein, sie ist keine Künstlerin. Reiko arbeitet als Redakteurin für Kultur-, Reise- und Lifestyle-Magazine und genießt das sehr. In Polen hat sie eine Internetplattform gegründet, ZPOLSKI, auf der du alles findest, was zum Besten in der Kunst und Kultur in Polen gehört. Sie promotet polnische Kunst in Japan.

Jens Pepper: Wenn Reiko eine Redakteurin ist, kooperiert ihr für Zeitschriftenprojekte?

Paweł Jaszczuk: Dank Reiko bekam ich viele kommerzielle Aufträge. Ich habe für ihr Magazin gearbeitet und sie hat mich anderen Magazinen vorgestellt. Das hat Dinge für mich einfacher gemacht. Ich hatte Glück. Ohne ihre Verbindungen wäre es sehr viel schwieriger gewesen, einen Job in Japan zu bekommen.

Jens Pepper: Erzähl mir von deinen kommerziellen Arbeiten. Was fotografierst du da und für welche Lifestyle- und Reisemagazine arbeitest du?

Paweł Jaszczuk: Auftragsarbeiten und Editorials waren nur eine kurze Episode in meinem Leben, nur ein paar Jahre. Interessant, gut bezahlt aber nicht wirklich befriedigend. Verschiedene Sachen; ich habe CD-Cover fotografiert, DENKI GROOVE zum Beispiel, Accessoires wie Handtaschen; für Louis Vuitton habe ich eine Reihe für das Verita Magazin gemacht, für Top Shop oder Hunting World. In Japan habe ich mit dem Modemagazin Fashion Color zusammengearbeitet. Dann habe ich ein paar Portraitfotos für die New York Times gemacht, für D Donna Di la Repubblica in Italien und für Twoj Styl in Polen, nur um ein paar zu nennen. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, da es zehn Jahre her ist.

Jens Pepper: Womit verdienst du heute als Fotograf dein Geld?

Paweł Jaszczuk: Fotoprints, Bücher, Workshops. Ich unterrichte auch Fotografie.

Jens Pepper: Was kosten Prints von dir. Sind deine Fotos limitiert oder unlimitiert?

Paweł Jaszczuk: Das fängt bei 1.600 € an. Meistens gibt es zwei Größen: 60 x 40 cm und 80 x 120 cm. Jede der Größen ist auf 6 plus 2 AP [Künstlerexemplare] limitiert.

Jens Pepper: Du arbeitest mit Galerien zusammen?

Paweł Jaszczuk:Klar mache ich das. Manchmal ist es nur für die Dauer einer Ausstellung, aber da draußen sind Galerien, wo du meine Arbeiten kaufen kannst: OstLicht Galerie in Österreich, Zen Foto Galerie in Japan, Leica Galerie in Polen und Photo Edition Berlin in Deutschland.

Jens Pepper: Wo werden deine Fotos am meisten geschätzt? Und wo verkaufen sie sich am besten?

Paweł Jaszczuk: Deutschland, Großbritannien, die Niederlande; Westeuropa kann man sagen. Seit kurzem gibt es ein wenig Interesse in den USA, was mich sehr freut. Ich habe auch Fotos nach Australien geschickt.

Jens Pepper: Wie sieht es mit Polen aus? Ich habe gesehen, dass das Auktionsunternehmen Fotografia Kolekcjonerska ein Foto aus der Kinky City Serie angeboten hat, ein Bondage-Foto. Wurde es verkauft?

Paweł Jaszczuk: Ahhh, ja, Polen natürlich auch, sorry. Ich muss zugeben, dass ich hier ziemlich gut verkauft haben und es wird von Jahr zu Jahr besser. Das Bild von Fotografia Kolekcjonerska wurde verkauft. Mir wurde gesagt, dass es von einem polnischen Sammler erworben wurde.

Jens Pepper: Wie reagieren Polen auf deine Kinky City Serie? Hat der Katholizismus Auswirkungen auf die Rezeption deiner Arbeiten in Polen?

Paweł Jaszczuk: Wie alle Kunstformen ist auch die Fotografie unterschiedlichen Interpretationen ausgesetzt, diese sind zahlreich und hängen von den jeweiligen Perspektiven ab. Ich habe Glück und erlebe ein sehr positives Feedback, wirklich. Selbst für Menschen mit anderen visuellen Vorlieben war die Leica Galerie-Ausstellung ein faszinierendes Erlebnis. Auch die Presse und die Medien waren daran wirklich interessiert. Ich wurde von Fernseh- und Radiostationen eingeladen. Als ich erzählte, wovon dieses Projekt handelt, waren die Leute weniger argwöhnisch, weniger erschreckt. Sie lernen ein wenig über andere und sich selbst. Katholizismus mag eine Wirkung haben, sicher. Seit den 1990ern gibt es in den öffentlichen Schulen Religionsunterricht. Dort bekommen reine Kinder eine Gehirnwäsche verpasst. Das muss JETZT aufhören. Katholizismus in Polen ist eine lange Geschichte.

Jens Pepper: Bei Leica hast du mit Nobuyoshi Araki ausgestellt, oder?

Paweł Jaszczuk: Habe ich wirklich. Das war ein Privileg.

Jens Pepper: Hattest du Gelegenheit, Araki während deines Aufenthalts in Tokyo zu treffen?

Paweł Jaszczuk: Ich bin noch nie in seinem Studio gewesen. Ich habe aber eine seiner Ausstellungseröffnungen besucht. Das war an seinem Geburtstag. Eine wirklich energiegeladene Person. Pures Entertainment. Das war, als ich ihn zum ersten und bisher auch letzten Mal sah. Ich bin übrigens nicht so ein großer Fan von Eröffnungen; zu viele Leute. Ich bevorzuge es Galerien während der Öffnungszeiten zu besuchen, damit ich die Kunstwerke genießen kann.

Jens Pepper: Weißt du, was Araki zu dieser Doppelausstellung mit dir sagte? Es gab ja auch diesen Doppelkatalog.

Paweł Jaszczuk: Araki wusste über alles bescheid. Ich musste von ihm akzeptiert werden und mir wurde erzählt, dass ihm meine Arbeiten gefielen. Es war seine erste Zusammenarbeit mit einem polnischen Künstler. Das war alles sehr spannend damals. Araki war ziemlich zufrieden mit dem Katalog und er hat ein Exemplar mit einer speziellen Nachricht von mir erhalten und hat laut gelacht, als er sie las. Eine echte Geschichte. Ich werde ihn bei meiner nächsten Reise nach Tokyo treffen.

Jens Pepper: Was war das für eine spezielle Nachricht?

Paweł Jaszczuk: Grüße aus Polen du verrückter Motherfucker.

Jens Pepper: Warum hast du diese Kinky-Serie in Tokyo begonnen?

Paweł Jaszczuk: Neugierde, Passion, Umstände. Ich habe mich schon immer für menschliches Verhalten interessiert. Tue ich immer noch. Warum, das werde ich nie verstehen, ich muss es eben akzeptieren. Aber diese Neugierde und der Wille über die Dinge zu sprechen, von denen ich glaube, dass sie wichtig sind, die geben mir meine Energie. Ich werde nie damit aufhören. Bevor ich nach Japan aufbrach hatte ich schon viele Stories über die Sex-Szene in Tokyo gehört. Die wirkten so unreal. Ich beschloss also, sie zu erkunden, Nacht für Nacht und Ort für Ort. Das hat mich süchtig gemacht.

Jens Pepper: Du kannst in Japan einfach Menschen in dieser sehr privaten Situationen fotografieren? Wie ist dort die Rechtslage in Bezug auf das Fotografieren in der Öffentlichkeit und in Clubs?

Paweł Jaszczuk: Ich spreche mit den Menschen, erkläre ihnen wer ich bin und was ich mache. Ich frage immer nach der Erlaubnis. Sie wissen, dass ich da bin. Häufig wurde ich zuerst dem Besitzer der Orte vorgestellt, so dass sie von Anfang an wussten, was ich vorhatte. Ich wurde lediglich gebeten höflich zu sein und immer um Erlaubnis zu bitten. Und so habe ich es gemacht. Heimlich zu fotografieren ist nicht mein Stil, überhaupt nicht. Wenn du anderen Menschen mit Respekt und Freundlichkeit begegnest, dann musst du dich nicht um das japanische Gesetz sorgen, um kein Gesetz denke ich.

Jens Pepper: Gibt es in Warschau eine Kinky Szene? Und falls ja, würdest du sie gerne fotografieren?

Paweł Jaszczuk: Kann sein, ich nehme an, dass da eine ist. Aber um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ich bin mit dem Thema durch. Es würde mich nicht mehr interessieren. Der Fall ist geschlossen.

Jens Pepper: Was sind deine fotografischen Themen in Warschau?

Paweł Jaszczuk: Ich wende meinen Blick auf die Katholische Kirche. Das Projekt heißt ¥€$U$ und ist fast fertig. Es geht ausschließlich um Scheinheiligkeit, Doppelzüngigkeit, Geschäft und Geld. Alles in Farbe.

Jens Pepper: Wird Radio Maria es mögen?

Paweł Jaszczuk: Radio Maria wird es lieben! ¥€$U$ hat mehrere Ebenen, du kannst eine Menge darin finden: Groteske, Absurdität, Heuchelei, Gier. Der Untergang. Die Katholische Kirche kommt auch vor. Zwei Jahre lang, vielleicht etwas länger, habe ich Schnickschnack gekauft und gesammelt, das irgendwie mit Jesus und die Jungfrau Maria zu hat. Figure, Devotionalien aus aller Welt. Die verrücktesten, lustigsten und absurdesten Dinge, die es zu kaufen gab. Ich habe dann versucht, die in alltägliche Situationen zu bringen und dann zu fotografieren. Zum Beispiel Damenunterhosen mit der Jungfrau Maria vorne drauf. Ich habe ein Model gebeten, sie zu tragen und ich habe sie dann fotografiert. Es wurde eines der besten Fotos, das ich je gemacht habe. Ich liebe es. Da ist immer dieser sehr wichtige Aspekt in meiner Arbeit – ich will deine Aufmerksamkeit bekommen. Ich möchte, dass du unter die Oberfläche schaust.

Jens Pepper: Bist du gläubig? Hättest du gerne, dass die Kirche spiritueller, sozialer und weniger geschäftstüchtig ist?

Paweł Jaszczuk: Ich glaube an die Wissenschaften und nicht an Märchen. Ich hätte gerne, dass die Menschen mehr an sich selbst glauben ohne all diesen Bullshit. Ich würde die Leute gerne dazu bringen zu verstehen, dass sie keine Organisation brauchen die so voller Lügen, Scheinheiligkeit und krimineller Aktivitäten ist. Alle Religionen, nicht nur die Katholische, sollten verschwinden.

Jens Pepper: Werden diese Fotos für sich stehen oder von Texten, deinen Texten, begleitet sein, von einer niedergeschriebenen Nachricht, warum es dir hierbei geht?

Paweł Jaszczuk: Die Bilder werden für sich stehen, sicher, dennoch wird es auch einen Text geben, der sich auf die Ausstellung bezieht. Das sind dann Worte eines Freundes, eines Künstlers, der dieselben Gedanken hat, diese aber anders ausdrücken wird.

Jens Pepper: Ist schon eine Ausstellung geplant? Und ein neues Buch?

Paweł Jaszczuk: Das Projekt läuft noch, aber es ist beinahe fertig. Nur noch ein paar Kleinigkeiten. Deshalb habe ich es auch noch nicht beworben. Aber am 27. Oktober, Leica Galerie in Warschau, zu 100 Prozent. Ich werde auch ein Buch machen, aber da gibt es noch keine Details zu. Sei geduldig.

Jens Pepper: Was ist dein größter Wunsch in Bezug auf die Entwicklung der Fotoszene in Polen?

Paweł Jaszczuk: Mich interessieren Fotoszenen nicht so sehr, nirgendwo. Ich möchte gesund bleiben und weitermachen bis ich in Frieden Ruhe. Ich mache einfach mein Ding, egal was da kommt.

Dieses Gespräch erschien erstmals im Buch „Gespräche über polnische Fotografie“ von Jens Pepper, KLAK Verlag, Berlin 2017 (www.klakverlag.de/programm/literatur-und-reportage/)

 

Pawel Jaszczuk fotografiert von Jens Pepper in Warschau 2016

Pawel Jaszczuk wurde 1978 in Warschau geboren. Er studierte Kunst an der School of Visual Arts in Sydney. Danach viele Jahre in Tokyo. Inzwischen lebt er wieder in Warschau.

http://paweljaszczuk.com/

Foto links:  Pawel Jaszczuk, fotografiert von Jens Pepper im Fort Mokotow, Warschau (Dezember 2016)

„Die Buchhandlung dachte, bei brennpunkt handele es sich um eine Feuerwehrzeitschrift.“ – Jens Pepper im Gespräch mit dem Verleger und Herausgeber Dietmar Bührer.

Foto: Klaus Pichler - aus Golden Days before they end

Jens Pepper: In der Friedrichshainer Fotogalerie am Helsingforser Platz hast du gerade erst eigene Fotografien ausgestellt und damit einen Aspekt deiner Auseinandersetzung mit diesem Medium vorgestellt. Ein weiterer Aspekt dieser Beschäftigung ist deine Betätigung als Herausgeber des brennpunkt Magazins, das seit mehr als dreißig Jahren in vierteljährlicher Erscheinungsweise Ausschnitte des fotografischen Geschehens in Berlin dokumentiert und dadurch zu einer Institution in der Stadt geworden ist. Das Besondere daran ist, dass du das Heft quasi ehrenamtlich herausgibst, du verdienst daran nichts, im Gegenteil, du hast im Lauf der Jahrzehnte auch eigenes Geld in dieses Projekt gesteckt, damit es fortgesetzt werden kann. Da ist also auch eine gehörige Portion Idealismus mit im Spiel. Wie bist du damals eigentlich auf die Idee zu einem Magazin wie brennpunkt gekommen?

Dietmar Bührer: 1972 wurde ich Mitglied im Verband Deutscher Amateurfotografen e.V, dem heutigen Deutscher Verband für Fotografie. Damals brachte ich ein Mitteilungsblatt für die Mitglieder im Landesverband Berlin mit dem Titel Mein Hobby heraus. Inhaltlich wurde über die Progamme der Vereine berichtet, es gab Informationen zu Veranstaltungen und auch die Galerieszene wurde kurz beleuchtet. Berlin hatte zu jener Zeit vier Fotogalerien. Als der Landesverband Berlin 1980 in Berlin-Moabit eine eigene Fotogalerie mit dem Namen Brennpunkt gründete, wurde die Broschüre immer umfangreicher, auch durch den Zuwachs neuer Galerien in Berlin. 1984 wurde Mein Hobby dann in brennpunkt unbenannt. Zwischen 1984 und 1990 war ich als Drucker beschäftigt und konnte in meiner Freizeit das Magazin selbst drucken, falzen, klammen und schneiden. Brennpunkt hatte übrigens bis 1990 das Format DIN A5. Erst in dem Jahr bekam es das Format DIN A4.

Jens Pepper: Also bereits das Mitteilungsblatt Mein Hobby ging auf deine Initiative zurück, verstehe ich das richtig?

Dietmar Bührer: Ja, so ist es. Der Landeverband Berlin im VDAV hatte ca. 400 Mitglieder und 16 Vereine. Um die Mitglieder flächendeckend zu informieren habe ich Mein Hobby ins Leben gerufen. Der VDAV wurde übrigens 1908 in Berlin gegründet.

Jens Pepper: Der Name des neuen Magazins stammt auch von Dir?

Dietmar Bührer: Ja. Im Brennpunkt einer Linse treffen sich die gebündelten Lichtstrahlen. Im übertragenen Sinn trifft dies auch auf das Konzept von meinem Magazin zu: es bündelt die vielfältigen Bilder Berlins, aus verschiedenen Perspektiven, Ausgabe für Ausgabe. Die Blickfelder der Menschen vor und hinter der Kamera sind ein unerschöpfliches Thema. Das Magazin mag unspektakulär erscheinen, aber tatsächlich bildet der Stapel von 132 Ausgaben, das sind 40 Tonnen Papier!, auch ein Stück Zeitgeschichte.

Jens Pepper: 40 Tonnen sind das Gewicht der Gesamtauflage aller gedruckten Heftnummern?

Dietmar Bührer: Das kommt hin, für die Ausgaben von 1984 bis 2017. Dazu noch zwei Sonderausgaben: „25 Jahre Brennpunkt – 1984-2009“ und „Klaus Rabien – zum 80.“, also die im brennpunkt erschienenen Galerieberichte von von Rabien aus den Jahren 1985 bis 2013.

Jens Pepper: Wie hoch ist die gegenwärtige Auflage?

Dietmar Bührer: Die gegenwärtige Auflage schwankt zwischen 1.500 und 1.800 Exemplare. Das richtet sich nach den großen Fotoausstellungen in Museen, wie dem Martin-Gropius-Bau oder der Berlinischen Galerie etc.

Jens Pepper: Wenn du sagst, dass du zwischen 1984 und 1990 als Drucker beschäftigt warst – das war als Ausbilder in der Knastdruckerei hier in Berlin, oder? – und die Zeitschrift selber drucken, falzen etc. konntest, was passierte dann 1990? Du hast dann den Druck abgegeben?

Dietmar Bührer: Zwischen 1984 und 1990 war ich als Geschäftsführer und Drucker in einer kleinen Druckerei in Schöneberg tätig. Da hatte ich die Möglichkeit in meiner Freizeit Druckaufträge für mich herzustellen. Zur Wendezeit wurde die Druckerei geschlossen. 1990 fing ich dann als Buchdruckermeister in der JVA Tegel an. Die Druckerei mit der dazugehörigen Setzerei ist eine Landesdruckerei in der Druckaufträge für das Land Berlin hergestellt werden, z.B. für die Bezirksämter, das Landesverwaltungsamt, die Finanzämter, also alles was mit Berliner Behörden zu tun hat. Auch war die Druckerei/Setzerei ein Ausbildungsbetrieb für Mediendesigner und Offsetdrucker. Die Auszubildenden in der Setzerei bekamen die Aufgabe, ein neue Layout für den brennpunkt zu entwerfen, das heute noch Bestand hat. Ab 1990 wurde das brennpunkt Magazin in einer Kreuzberger Druckerei hergestellt.

Jens Pepper: Du bist sehr demokratisch in der Auswahl den Beiträge. Du möchtest einen möglichst umfassenden Überblick über die aktuellen Ereignisse vor allem der Berliner Fotoszene bringen. Aus diesem Grund werden eher hobbymäßig geführte Fotoaktivitäten ebenso im Heft vorgestellt wie die Fotografieausstellungen in Museen und professionellen Galerien. Das war dir immer wichtig, oder? Dass jeder, der sich der Fotografie verbunden fühlt und als Fotograf, Künstler, Galerist, Kurator usw. aktiv ist, im brennpunkt ein Magazin hat, das für ihn da ist?

Dietmar Bührer: Für das Magazin nutzte ich die vielfältigen Kontakte zu Fotografen und Galerien, die ich mit der Zeit bekommen habe. Mit dem Heft wird ein Sammelbecken für fotografische Aktivitäten in dieser Stadt geschaffen, Begabungen werden gefördert, auf Ausstellungen wird hingewiesen. Für einige Fotografen mag es ein Sprungbrett hin zu einer Galerien sein.

Schon lange vor dem Fall der Mauer veröffentlichte der brennpunkt Bilder von Ost-Berliner Fotografen wie Harald Hauswald, die ich damals über die Grenzen schmuggelte. Die eher unästhetischen Szenen aus dem Strandbad Wannsee, die Dieter Matthes 1992 in seiner Fotoreportage „Pack die Badehose ein“ boshaft festhielt – sie sind auch als Buch erschienen – , haben einen wahrhaft zeitlosen Unterhaltungswert. Anrührend und einfühlsam dagegen ist die Fotoreportage, die Bernd Riehm im Jahr 1985 über den Penner Edwin machte, und die eine Arbeit zur Aufnahmeprüfung für die HdK war. Der kanadische Fotograf François Brunelle, der vor kurzem in Paris verweilte, rief bei der großen französischen Fotozeitschrift PHOTO an, um sein Portfolio „Doppelgänger“ vorzustellen. Als er merkte, dass der Redakteur zögerte, erwähnte er, dass seine Serie demnächst im Berliner Magazin brennpunkt erscheinen würde und prompt bekam er einen Vorstellungstermin.

Jens Pepper: Man merkt, dass du auch – zu recht – Stolz auf dein „Baby“ bist. Erzähle mir noch ein paar Anekdoten. Du hast ja auch Helmut Newton getroffen, der dir Carte Blanche gegeben hat in Bezug auf das Veröffentlichen seiner Fotografien, wenn es denn einen passenden Anlass gibt.

Dietmar Bührer: Die beiden jeweils in Berlin zur Welt gekommenen Fotografen Giséle Freund und Helmut Newton haben sich lobend über das Heft geäußert, was mich natürlich sehr gefreut hat.
Helmut Newton fand es einfach schön, dass es so ein Magazin in seiner Geburtsstadt gibt.

Es gab auch viele amüsante Momente. So bestellte zum Beispiel eine österreichische Buchhandung ein halbes Dutzend brennpunkte als Abonnement. Eine tolle Sache, neue Leser gefunden zu haben, aber die Freude darüber währte nicht lange, denn nach wenigen Tagen kam die Sendung nach Berlin zurück, mit einer Entschuldigung: die Buchhandlung dachte, bei brennpunkt handele es sich um eine Feuerwehrzeitschrift. 1995 wurde das Heft übrigens bei einem Wettbewerb als bestes deutschsprachiges, kleinverlegerisches Magazin mit dem ersten Platz ausgezeichnet.

Jens Pepper: Was hat es mit dem Bilderschmuggel aus der DDR auf sich? Bist du regelmäßig im Osten gewesen, um gezielt Fotografen aufzusuchen? Wen hast du da getroffen?

Dietmar Bührer: 1986 bekam ich einen Anruf aus Ostberlin; ein Fotograf hatte eine Bitte an mich und wollte mich treffen, im Ostteil der Stadt. Der Treffpunkt war die Fotogalerie am Helsingforser Platz, die erst 1985 als erste Fotogalerie in der DDR gegründet worden war. In der Galerie fragte ich nach dem Fotografen, aber keiner kannte ihn. Dann kam ein junger Mann mit längeren Haaren und einem kleinen Mädchen auf dem Arm in die Galerie. Ich fragte ihn, ob er die Anwesenden in der Galerie kenne, was er bejahte. Er bat mich dann , woanders hinzugehen. In einem Café übergab er mir dann eine Schachtel mit der Bitte, diese an das Stern-Magazin zu schicken. Nichts ahnend was sich in der Schachtel befand ging ich nach dem Treffen über die Grenze zurück nach West-Berlin. Mit dem Titel „Verschmutzte Elbe in der DDR“ veröffentlichte der Stern dann die Fotografien von Harald Hauswald. Gott sei Dank wusste bei der Grenzkontrolle nicht, was in der der Schachtel war, benahm mich zum Glück wie ein Landei. Das hätte mich einige Jahre Knast gekostet.

Bei meinem nächsten DDR Besuch wies man mich an der Grenze ab, ich war nicht erwünscht.
Ich habe regelmäßig den Osten besucht, da ich alle zwei Jahre mit meinem Fotoclub an der ifo-scanbaltic, einem Wettbewerb für alle Ostseeanliegerstaaten teilnahm und die Ausstellung in Rostock besuchte. 1984 errangen wir als Fotoclub alle drei an die Bundesrepublik gegangenen Medaillen. Diese Medaillen mussten wir bei der Rückfahrt nach Berlin wieder abgeben, da wir keine Ausfuhrgenehmigung für diese Preise hatten. Wochen später konnte ich sie dann beim Kulturbund der DDR abholen. Für die Fotofreunde in Rostock nahm ich immer den aktuellen brennpunkt mit, der allerdings öfters an der Grenze beschlagnahmt wurde, weil ein Aktbild in der Ausgabe veröffentlicht war. Was mich dann bei der ersten Reise nach Rostock überrascht hat: Wir fuhren immer kurz vor der Ausstellung noch nach Warnemünde um einige Minuten ins Meer zu gehen und da sah ich, dass alle am Strand nackt waren. Das habe ich damals nicht begriffen. Der brennpunkt wurde wegen eines Aktbildes beschlagnahmt und da laufen alle nackt herum. In Rostock bei der Ausstellung legte ich die Magazine immer auf die Heizkörper, damit die Fotofreunde diese bemerkten. Während die Funktionäre ihre Rede hielten passierte nichts. Erst als diese dann die Ausstellung verließen, fing der Kontakt zu den Ostfotografen an und die brennpunkte waren schnell vergriffen. Mein Lieblingsfotograf war damals Volkmar Herre, der heute international mit seiner Camera obscura bekannt ist. Seine Bilder von Rügen sind ein poetischer Genuss.

Jens Pepper: Jetzt bin ich ein wenig durcheinander. Die ersten Fotos von Hauswald waren die, die du für den Stern rübergeschmuggelt hast, im Auftrag von Hauswald, den du damals aber noch nicht kanntest, richtig? Beim nächsten Mal bist du dann nicht in die DDR reingekommen. Aber danach dann schon wieder, oder? Und dann hast du auch Hauswald wieder getroffen und dir Fotos von ihm geben lassen, für den brennpunkt?

Dietmar Bührer: Hauswald habe ich nur bei der Bildübergabe 1986 getroffen. Später, 1990, bei einer gemeinsamen Ausstellung zum Thema „Wendezeit“ im Liebermann-Haus am Pariser Platz dann wieder.

Jens Pepper: Gibt es von dir Stasiakten? Hast du das mal geprüft?

Dietmar Bührer: Das weiß ich nicht, habe mich nicht darum gekümmert.

Jens Pepper: Wie hat sich die Resonanz auf den brennpunkt in Berlin entwickelt im Lauf der Jahre? Das Heft wird ja vor allem für die Berliner Szene produziert.

Dietmar Bührer: Der brennpunkt wurde immer umfangreicher, da die Galerieszene in Berlin ständig wuchs. Berlin ist nun mal die Hauptstadt der Fotografie. 30% der Abonnenten kommen aber aus dem restlichen Bundesgebiet.

Jens Pepper: Der brennpunkt hat einen kleinen Redaktionsstab dessen Altersdurchschnitt relativ hoch ist. Du bist aber nach wie vor die treibende Kraft bei der Produktion des Heftes. Was passiert damit, wenn du irgendwann aufhörst, keine Lust mehr hast, nicht mehr kannst? Hört der brennpunkt dann einfach auf zu existieren oder hast du Pläne für die Zukunft, wirst du einen Nachfolger aufbauen?

Dietmar Bührer: Ja, der Altersdurchschnitt ist hoch. Ich selbst bin über 70 Jahre jung, Klaus Rabien wird 85 Jahre jung, das kratzt schon etwas an der Gesundheit. Bei jeder Ausgabe sind es ca. 700 Kg Magazine die in meine Wohnung müssen, 300 Kg werden die für Abonnenten eingetütet, und alles muss dann wieder aus der Wohnung zum Kunden. Das kann man heutzutage niemanden mehr zumuten. Es wird keinen Nachfolger geben, der brennpunkt wird Geschichte und Sammelobjekt. In der ZWEITEN HAND erschien schon im April 1993 folgende Anzeige: brennpunkt 1987-1992, 20 Magazine für 100.-DM. Damals kostete die Einzelausgabe 3.-DM

Jens Pepper: Wie schade. Dann hoffe ich, dass dich Lust und Kraft noch nicht so schnell verlassen und der brennpunkt noch eine ganze Weile da sein wird. Du liefertst das Heft zu einem großen Teil auch persönlich aus, nämlich an die Verkaufsstellen, also an die Galerien, die Buchhandlungen. Das schafft Kontakte, ermöglicht sicherlich auch nette Gespräche. Ich kann mir denken, dass du das vermissen wirst, oder?

Dietmar Bührer: Ja sehr. Man ist nach 34 Jahren mit den Menschen, Galeristen, Buchhändlern, Kuratoren und Fotografen verbunden.

Jens Pepper: Aber das letzte Heft wird noch ein wenig auf sich warten lassen, oder?

Dietmar Bührer: So schnell geht das Schiff nicht unter. So lange ich noch einigermaßen gesund bin, geht es noch weiter.

Jens Pepper: Es gibt ja wenig Anzeigen im brennpunkt. Trägt sich das Heft inzwischen über den Verkauf? Wieviel Eigenkapital ist in den vergangenen drei Jahrzehnten in dieses Projekt geflossen? Ich frage das, weil ich weiß, dass du immer wieder auch eigenes Geld investiert hast.

Dietmar Bührer: Anzeigen sind schwer für das Magazin zu bekommen, da der bennpunkt überwiegend in der Hauptstadt vertrieben wird. Über den Daumen gepeilt habe ich ungefähr 15.000 Euro Eigenkapital in das Magazin gesteckt

Jens Pepper: Die Redaktion befindet sich auch in deiner Wohnung und der brennpunkt ist eine Nebentätigkeit für dich, zumindest war er das, als du noch berufstätig warst. Hat deine Frau deine Leidenschaft immer mitgetragen?

Dietmar Bührer: Nicht nur in der Wohnung, sondern überall, wo ich mein Laptop mitnehmen kann, also auch in meinem Stammcafé Amarcord oder am Urlaubsort. Meine Frau unterstützt das Magazin seit 34 Jahren moralisch und auch finanziell.

Jens Pepper: Früher hat der brennpunkt auch Wettbewerbe veranstaltet, oder?

Dietmar Bührer: Ja, das ist richtig. 1989 veranstaltete das Magazin einen Fotowettbewerb zum Thema „Ausländische Mitbürger fotografieren Berlin“. Die Schirmherrschaft hatte die damalige Ausländerbeauftragte Frau Barbara John. Die Bilder wurden in der Moabiter Fotogalerie Brennpunkt ausgestellt. 1991 gab es einen Fotowettbewerb zum Thema „Berlin Marathon“, den wir zusammen mit demVeranstalter Horst Milde gemacht haben und 1988 einen zum Thema „Zoo“,unter der Schirmherrschaft von Dr. Kloos, dem damaligen Direktor des Zoologischen Garten. 1998 hatten wir das Thema „BERLIN – in 24 Stunden – Dokumentation eines Tages“
Der brennpunkt unterstützt auch die analogen Fototage in Berlin und die go2 know GmbH, die u.a. Fototouren anbietet. Und dann haben wir früher auch schon verschiedene Workshops gemacht, u.a. zum Thema Porträt und Aktfotografie.

Jens Pepper: Wieso unterstützt der brennpunkt eine GmbH, also eine Firma?

Dietmar Bührer: Ich unterstütze nicht die GmbH, sondern die jährliche Weihnachtsaktion bei Facebook mit dem Adventskalender. Beim Öffnen von 10 Türchen ist brennpunkt sichtbar und 10 Abos werden dann verlost.

Jens Pepper: Ah, ich verstehe. Zum Schluss möchte ich noch etwas über deine eigene Fotografie erfahren. Das ganze brennpunkt-Projekt entwickelte sich ja aus dem Blatt Mein Hobby und du selbst bist fotografisch auch sehr aktiv. Erst vor einigen Wochen hattest du die eingangs erwähnte Einzelausstellung in der Galerie am Helsingforser Platz und im vergangenen Jahr – oder war das schon vor zwei Jahren? – hast du bei Johanna Brede im Rahmen einer Gruppenausstellung eine Arbeit von dir gezeigt. War die Fotografie immer Hobby für dich oder gab es auch mal die Überlegung das ganze zu professionalisieren?

Dietmar Bührer: Ich wollte nie ein professioneller Fotograf werden. Ich hatte ja einen gut verdienenden Beruf, mit dem ich sehr zufrieden war. Im letzten Jahr, also in 2017, hatte ich neben der von dir erwähnten Einzelausstellung am Helsingforser Platz im Dezember, bei der ich „Menschen in Galerien“ gezeigt hatte, ein Thema, das mich seit 35 Jahren beschäftigt, auch jeweils eine in Olbernhau im Erzgebirge und in Tartu in Estland. Dazu kamen Beteiligungen bei Brede und in der Kunsthalle Bahnitz im Havelland.

 

 

Dietmar Bührer wurde 1947 geboren. Er arbeitete als Drucker in Berlin und begann aus persönlichem Interesse die Zeitschrift brennpunkt herauszugeben, als Nachfolger der ebenfalls von ihm verantworteten Zeitschrift Mein Hobby. Er selbst fotografiert mit großer Leidenschaft.

www.edition-dibue.de

 

„Als wir dann hörten, dass wir für einen Oscar nominiert waren …“ – Jens Pepper im Gespräch mit der polnischen Theaterfotografin Magda Hueckel

Foto: Magda Hueckel

Jens Pepper: Ab und zu hatte ich schon einige deiner Arbeiten gesehen, zumeist in Büchern, in Katalogen und im Internet, intensiv konfrontiert wurde ich mit ihnen jedoch erstmals in deiner kleinen Ausstellung in der Henryk Galerie in Krakau während des diesjährigen Fotomonats. Du hast dort eine Auswahl deiner Theaterfotografien als Projektion in einem abgedunkelten Raum der Privatwohnung gezeigt, in der auch die Galerie betrieben wird. Das war ein intensives und eindrucksvolles Erlebnis. In den Bildern ging es mehr um Chaos als um Schönheit und der Raum, sowie die leicht welligen Projektionsflächen, haben diesen Eindruck noch verstärkt. Was hat dich zu dieser Fotoauswahl und zu der Art sie zu zeigen bewogen?

Magda Hueckel: Da gibt es mehrere Gründe. Ich fotografiere seit über zehn Jahren in Theatern und dokumentiere dabei die interessantesten Phänomene, die besten Aufführungen und die Arbeit der wichtigsten Regisseure Polens. Ich habe tausende Bilder gemacht und dabei festgestellt, dass sie nur im Theaterkontext existieren, nur in strenger Verbindung mit den Aufführungen, nie aber im Kontext mit der Fotografie oder den Bildenden Künsten. Also habe ich begonnen, mir Gedanken über das Genre der Theaterfotografie zu machen. Besitzen die Aufnahmen das Recht auf ein Eigenleben? Ich entschloss mich, hierüber zu arbeiten. Mein erster Schritt war ein Fotobuch, das Ende 2015 vom Theater Institut in Warschau veröffentlicht wurde. Dafür habe ich Fotografien aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst und mit ihnen meine eigene Geschichte konstruiert, eine Art Collage mit einer neuen Bedeutung. Die Ausstellung bezog sich auf dieses Buch, aber ich hatte dafür einige Dinge zu ändern, denn Buch und Ausstellung sind zwei völlig verschieden Medien. Dinge, die in einem Buch funktionieren, sehen nicht unbedingt gut in einer Ausstellung aus. Hinzu kam, dass sich vieles in meinem Leben verändert hatte, genauso wie die uns umgebenden Realität. Ich musste also die Ausstellung aktualisieren.

Theater ist ein Medium, das unmittelbar auf Realität reagiert. Ich dachte mir also, dass es gut wäre, wenn die Ausstellung sich selbst permanent verändert und jedes Mal, also an jedem neuen Ausstellungsort, aus anderen Fotos besteht. Ich wollte, dass sie ebenso flüchtig ist wie es das Theater selbst.

Thema der Ausstellung war der Körper. Der Körper als Subjekt eines radikalen Erlebnisses, versunken in Schmerz, an seine Grenzen gebracht, in Stücke zerschlagen, gelähmt, erfroren, seiner Identität beraubt. Ein Körper nach Erreichen eines Höhepunkts, sofort in sich zusammengesunken. Die Bilder lösen eine gefühlbezogene Wahrnehmung aus, sie zeigen uns die Seite des Schmerzes und den Kollaps von Identität. Der Inhalt korrespondiert mit dem Gefühl von Gefahr und Spannung, die unser gegenwärtiges Leben bestimmen.

Das Thema ist schmerzlich, deshalb war mir klar, dss ich die Präsentation nicht als klassische Austellung gestalten konnte. Sie musste aggressiv sein und alle Sinne ansprechen. Deshalb habe ich diese Art von Installation gemacht. Alle Besucher mussten durch einen unangenehmen Plastikvorhang gehen. Auf der anderen Seite wurden sie von einer flackernden und intensiven Projektion geblendet, die direkt in ihre Richtung ging. Die zweite Projektion war groß, überwältigend und so entwickelt, dass sie zum Rhythmus psychedelischer Musik funktionierte. Ich wollte ein Gefühl des Verlorenseins, des Chaos und der Gefahr verursachen.

Jens Pepper: Du hast in Danzig Fotografie und Bühnenbild an der Kunstakademie studiert. In deiner Ausstellung in Krakau hast du deine aktuelle fotografische Arbeit mit dem was du damals auch studiert hast verknüpft. Hattest du jemals den Wunsch Bühnenbildnerin für Theater oder Film anstatt Fotografin zu werden?

Magda Hueckel: Ich habe zwei Fächer an der Fakultät für Malerei und Grafik studiert, Fotografie und Bühnenbild, genau. Ich wusste immer, dass das meine Bereiche sind, auch wenn sie in gewissem Sinne gegensätzlich sind. Im Theater ist alles vergänglich und einzigartig, während Fotografie einen Moment der Zeit einzufangen und zu bewahren versucht, von dem du dann auch noch leicht Kopien anfertigen kannst. Ich dachte aber nie daran, dass sich diese beiden Interessensfelder verbinden lassen würden. Als ich zum Theater ging, war das mit der Absicht, Bühnenbildnerin zu werden. Und tatsächlich habe ich einige Bühnenbilder entworfen, mache es sogar immer noch, gegenwärtig zum Beispiel versuche ich mich am Bühnenbild für einen Film. Viele Jahre habe ich auch mit Małgorzata Szczęśniak [polnische Kostüm- und Bühnenbild-Designerin] für Stücke von Krzysztof Warlikowski zusammengearbeitet. Die vielen Monate bei den Proben haben es dann mit sich gebracht, dass ich ganz natürlich damit begann, die Dinge, die um mich herum geschahen, zu dokumentieren. So fing das alles an. Ich denke, dass ich davon profitiere, zunächst die schöpferische Seite des Theaters kennengelernt zu haben. Aus diesem Grund ist meine Anwesenheit dort vollkommen organisch, ich bin dort kein Fremdkörper. Ich verstehe die Sprache des Theaters, ich fühle bestimmte Mechanismen und natürlich kenne ich die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Und wie du bemerkt hast, benutze ich die Bühnenbild-Erfahrung wenn ich meine Ausstellungen arrangiere. Dennoch denke ich, dass Fotografie für mich immer am wichtigsten war.

Jens Pepper: Du hast also die Szene vor etwas über zehn Jahren als Theater-Fotografin betreten, wie du gerade gesagt hast. Kanntest du Bilder, die damals in Polen von Stücken und Bühnenbildern gemacht wurden? Hattest du schon eine Idee, wie du deine eigene Fotografie in diesem Bereich entwickeln wolltest? Und hattest du eigentlich nach einem neuen Blick auf Theater gesucht?

Magda Hueckel: Ehrlich gesagt wusste ich zu der Zeit noch nicht, was Theaterfotografie ist. Ich kannte ein paar Fotos von Stefan Okołowicz, Edward Hartwig und ein paar anderen Fotografen aber von Anfang an wusste ich, dass ich meinen eingen Weg finden musste. Ich habe niemals in der Theaterfotografie nach Inspiration gesucht. Allerdings versuchte ich sehr tief in die Materie einzudringen und suchte ganz allgemein Inspiration in der Kunstgeschichte – Malerei, Bildhauerei, Dokumentarfotografie, Filme etc. Wir leben in einer visuellen Kultur und wir verstehen visuelle Codes, häufig völlig unterbewusst. Daher war der Bezug zu diesen visuellen Codes essentiell für mich. Ich beschäftige mich mit Darstellungsgepflogenheiten, die starke kulturelle Bedeutungen haben und die mit speziellen Situationen und Emotionszuständen identifiziert werden. Folglich versuche ich für jede Aufführung eine extra Bildsprache zu finden, die dann aber nicht in Opposition zum Inhalt des Stückes steht. Ich folge der Vision des Künstlers und möchte diese in eine fotografische Sprache übersetzen.

Jens Pepper: Lehnst du Jobs ab, wenn dir Stücke oder Bühnenbilder nicht gefallen? Oder wenn du das Gefühl hast, keine passende Bildsprache für ein Stück finden zu können?

Magda Hueckel: Ich verfolge zwei verschiedene Strategien: Ich arbeite mit Theatern und ausgewählten Regisseuren zusammen, die mir gefallen. Die Theater, mit denen ich arbeite, sind eher experimentell, sie suchen nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, benutzen unterschiedliche Medien, bewegen sich also an der Grenze vom Theater zum Film und zur Performance. Jede einzelne Inszenierung ist für mich ein Abenteuer, eine Art Herausforderung. Wenn ich also einmal zusage mit einer Institution zu arbeiten, dann bedeutet das auch, das ich mich für ihre Vision interessiere und ihren Stil mehr oder weniger mag. Im Resultat akzeptiere ich auch ihre Vorschläge, wie das Stück dokumentiert werden sollte.

Es kommt selten vor, dass ich von eher konventionellen Theatern Angebote erhalte – also von ca. 90% der polnischen Theatern (lacht). Wenn ich ein solches Angebot erhalte, dann kommt es darauf an ….. manchmal, wenn das Schauspiel gut ist, selbst wenn es nicht meinem Geschmack entspricht, dann behandele ich es für mich wie ein Experiment. Wenn es aber überhaupt nicht zu mir passt, es mich auch nicht interessiert, dann lehne ich ein solches Angebot ab, aus Sorge, dass ich vor Langeweile umkommen könnte. Ich versuche Theaterfotografie als eine Form von Kunst zu behandeln und nicht nur als ein Handwerk, das mir Geld einbringt.

Jens Pepper: Was waren für dich in letzter Zeit die interessantesten Theater-Shootings?

Magda Hueckel: Das war ‚Klątwa‘, der Fluch, auf jeden Fall. Das Stück [aus dem Jahr 1899 von Stanisław Wyspiański] in der Regie von des kroatischen Regisseurs Oliver Frlijc im Powszechny Theater in Warschau. Ab der zweiten Szene der Aufführung wusste ich, dass ich an etwas sehr Wichtigem teilhabe, an einem Ereignis, das das polnische Theater verändern wird. Und ich hatte Recht. ‚Klątwa‘ hat die Leute gespalten, zeigte wie unreif unser Publikum ist. Die Inszenierung wurde ein Thema in der Öffentlichkeit, sie war in den Medien, auf der Straße, in den Köpfen der Leute. Sie wurde als Instrument politischer Manipulation missbraucht. Noch Wochen nach seiner Premiere sprachen wir immer noch vor allem über die Folgen der Aufführung.

Ich liebe es auch, Fotos von Krzysztof Garbaczewskis Stücken zu machen. Sie sind sehr visuell, an der Schwelle zu Performance, Installation und Video-Kunst. Die Schauspieler sind beispielsweise nicht auf der Bühnen, sondern im Keller, so dass das Publikum sie nur in Live-Aufnahmen als Projektion sieht. Dort war ich dann mit den Schauspielern. Einmal war ich sogar während einer Aufführung mit ihnen auf der Bühne! Der Zuschauerraum war voll und die Schauspieler haben mich geführt, haben mir gezeigt, wo und wie ich auf der Bühne sein konnte, ohne den Fortgang des Stückes zu stören. Diese Atmosphäre zu erleben war großartig.

Jens Pepper: Das hat jetzt nichts mit deiner Fotografie zu tun, aber vielleicht kannst du mir erzählen, wovon das Stück ‚Klątwa‘ handelt und warum Menschen so reagieren, wie du es erlebt hast. Das klingt alles sehr intensiv.

Magda Hueckel: ‚Klątwa‘ , also der Fluch, in der Regie von Olivier Frilic war eine der politischsten Aufführungen der vergangenen Jahre in Polen. Das Stück war exakt komponiert, perfekt aufgeführt, intelligent, lustig und provokativ. Eines seiner Hauptthemen ist die Pädophilie in der katholischen Kirche, die viele Jahre lang von der Kirchenführung verschwiegen wurde. In der dritten Szene wird einer Gipsstatue, die Johannes Paul II symbolisieren soll, ein Schild mit der Inschrift „Ein Verteidiger der Padophilie“ umgehängt. Vorher, in derselben Szene, vollzieht eine der Schauspielerinnen Fellatio an der Statue. Diese beiden Gesten waren genug, um einen Sturm zu verursachen. In Polen ist Johannes Paul II ein Nationalheld, eine große Autorität, allgemein beliebt und vollkommen unberührbar. Man darf nichts Schlechtes über ihn sagen. Frilic zeigte bewusst auf ihn und die rechten Medien sind sofort und von Herzen auf diese Provokation angesprungen und haben einen Krieg gegen die Schauspieler, das Theater, den Regisseur, das Publikum und ganz allgemein gegen linksgerichtetes Theater begonnen. Die Szene mit dem Oralsex wurde heimlich gefilmt und illegalerweise in der Hauptausgabe der täglichen Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen um 19:30 Uhr gezeigt, also dann, wenn alle Kinder beim Abendessen zuschauen. Das eigentliche Thema und die Bedeutung von ‚Klątwa‘ wurde völlig ausgelassen, zahlreiche Fakten wurden verdreht, etliche Lügen verbreitet. Die öffentliche Meinung wurde von einer Welle des Hasses aufgewiegelt. Es gab viele Demonstrationen vor dem Theater und während einer Vorstellung drangen ein paar Leute ins Gebäude und haben Säure auf dem Boden verschüttet, wodurch ein Mitarbeiter leicht verletzt wurde. Ein halbes Jahr lang haben die Menschen, die im Theater arbeiten, regelmäßig Emails mit Drohunge erhalten. Sogar mich als Fotografin hat man bedroht.

Jens Pepper: Es scheint sich ein Klima der Intoleranz in Polen zu entwickeln. Machst du mit deiner Arbeit wie gewohnt weiter? Oder veränderst du Dinge, entweder, weil du vorsichtiger sein möchtest, damit deine Familie nicht in den Fokus derjenigen gerät, die dich bedrohen oder weil du dich entschlossen hast, deine Fotografie als Waffe gegen die Intoleranz einzusetzen, beispielsweise indem du aggressiver in deiner fotografischen Arbeit wirst?

Magda Hueckel: Ich fürchte, dass Polen nicht das einzige Land ist, das mit den Problemen einer wachsenden Intoleranz konfrontiert wird. Das ist ein globaler Prozess, der da im Gange ist. Viele Politiker füttern die Menschen mit Ängsten, was im Grunde genommen einer der Hauptgründe für diese Radikalisierung ist. In dieser Aufgabe ist es an den Künstlern, die Menschen mit dieser Thematik zu konfrontieren und sie zu belehren, bevor es zu spät ist. Ich fühle mich übrigens nicht bedroht. Eines meiner nächsten Projekte wird sehr politisch sein. Es wird ein Film sein: ‚Chaos-Studien‘. Ich werde den Film mit meinem Mann Tomasz Śliwiński machen und er handelt von Krzysztof Niemczyk, einem in Vergessenheit geratenen polnischen Künstler. Der Zweck des Films ist es nicht nur, an seine Biografie zu erinnern, sondern vor allem das Bild eines genialen Unangepassten zu zeigen, einer Ikone der Unabhängigkeit, einen radikalen Künstler, der mit seiner Haltung die Gesellschaft herausgefordert hat. Wir wurden wirklich inspiriert von Krzysztof und nun möchten wir unsere Generation inspirieren. Wir sind überzeugt davon, dass wir heute Menschen wie Krzysztof bräuchten … tapfer, kritisch und unabhängig. Das scheint so wichtig zu sein im heutigen Europa, in dem wir eine wachsende Radikalisierung und eine Rückkehr von Nationalismen erleben.

Jens Pepper: Kannst du mir ein bisschen mehr über diesen Mann erzählen? Warum hat er die Gesellschaft herausgefordert? Wie sah seine Kunst aus? Ich habe nie von ihm gehört oder zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.

Magda Hueckel: Wahrscheinlich hast du nicht von ihm gehört. Ende der 1960er Jahre war er in Polen ziemlich bekannt, jetzt ist er allerdings vollkommen vergessen. Er war ein Schriftsteller, Maler und Performer, der einzige Situationist in Polen und der einzige polnische Queer-Künstler im 20. Jahrhundert. Sein ganzes Leben war eine Art von Kunstwerk. Er entblößte die ganze Heuchelei der gesellschaftlichen Konventionen und des politischen Systems. Es hatte sich nicht gefürchtet, das Unterdrückungssystem des kommunistischen Regimes, in dem er lebte, herauszufordern. Hier zeigte er Mut, Erfindergeist und intellektuelle Präzision. 1968 schrieb er den Roman ‚Die Kurtisane und die Hühner‘, den aber niemand in Polen drucken wollte. Erst 30 Jahre später wurde er dann in Frankreich veröffentlicht. Dort wurde er dann auch als eines der größten Bücher der polnischen Literatur aus der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnet. In Polen ist er noch immer fast vollkommen unbekannt. Wir wollen mit unserem Film das Thema Nonkonformismus erforschen, den Mut, ein Leben zu leben, das du wirklich leben willst, inklusive aller Konsequenzen.

Jens Pepper: Wie wichtig ist Nonkonformismus in deiner eigenen Arbeit als Künstlerin und in deinem eigenen Leben?

Magda Hueckel: Ich glaube, dass ich keine Konformistin bin. Natürlich kann ich mich nicht mit Niemczyk vergleichen. Ich bin nicht so radikal und ich arbeite in vollkommen anderen Kunstbereichen, dennoch ist auch für mich Authenzität ein wesentlicher Wert. Die wohl schwierigste Prüfung, die ich je hatte, die Kunst und das Leben betreffend, war die Geburt meines ältesten Sohnes Leo. Leo erhielt sofort nach der Geburt die Diagnose die ultraseltene Generkrankung CCHS zu haben, das Ondine-Syndrom oder auch Ondines Fluch. CCHS-Patienten hören auf zu atmen, wenn sie schlafen und müssen daher lebenslang Beatmungssysteme benutzen. Diese Diagnose kam vollkommen unerwartet und die Prognose war grausam: Leo würde nicht fähig sein zu atmen, zu essen, zu verdauen, zu laufen, zu sprechen … Zu dieser Zeit arbeitete ich an meiner Selbstportraitserie, in der ich meine Ängste, Emotionen, Obsessionen etc. analysierte. Als dann mein Mann die Idee hatte, uns während dieser dunklen Zeit zu filmen, da wusste ich, dass wenn ich mich nicht dazu entschließen würde mitzumachen, dass all meine bisherige Arbeit in meinen Augen ihre Authenzität verlieren und ich mich Feigling betrachten würde. Wir haben also diesen Film gemacht, ‚Our Curse / Unser Fluch‘. Er hat viel verändert. Der zweite schwierige Moment für mich war, als bei mir Brustkrebs diagnostiziert wurde. Auch dieses habe ich in Kunst übersetzt, in eine weitere Reihe von Selbstportraits. Und auch wenn es schwierig war, so habe ich eine Art von Coming Out mit meiner Krankheit gehabt. Ich versteckte meinen Glatze nicht und zeigte so meine Krankheit. Ich wollte zeigen, dass es da nichts gibt, wofür man sich schämen müsste, dass das alles zum Leben dazu gehört.

Jens Pepper: Diesen Film zu sehen und auch deine Selbstportaits, das alles wirkt in der Tat sehr authentisch. Man sieht, dass das nicht einfach L’Art pour L’Art ist sondern sehr existentiell, sehr ehrlich. Es hat dir geholfen bei der Bewältigung all dieser Herausforderungen in deinem Leben. Wie haben die Menschen auf deinen Film reagiert, wie haben sie auf dein Coming Out mit deiner Krankheit reagiert?

Magda Hueckel: Es hat mir viel geholfen. Am Anfang hatten wir ein wenig Angst vor den Reaktionen der Leute. Unser Image im Film entspricht nicht gerade dem Stereotyp, es ist sogar ziemlich unkorrekt. Normalerweise werden Eltern von behinderten Kindern als Opfer oder Helden gezeigt. Wir passen zu keinem dieser Bilder. Wir sind wir selbst. Wir haben Zusammenbrüche, erleben Momente des Glücks, Ängste und Wut. Und obendrein trinken wir auch Alkohol, wir rauchen, wir fluchen. Und es ist ja bekannt, dass Eltern all dieses nicht tun sollen. Wir waren uns darüber bewusst, dass wir womöglich heftig kritisiert werden würden, aber Ehrlichkeit war uns das Wichtigste. Wir wollten unser Portrait nicht aufpolieren. Zu unserer Überraschung wurde dieser Film enthusiastisch aufgenommen. Es zeigte sich, dass er ausreichend ehrlich war und universell genug, dass er überall in der Welt verstanden werden konnte. Am meisten hatte ich Angst davor, ihn in den USA zu zeigen, während einer CCHS-Konferenz. Der Film würde dort von Eltern mit CCHS-Kindern angesehen werden, die dasselbe durchmachten wie wir. Ich wusste, dass unter den Zuschauern Menschen mit sehr konservativen Ansichten waren und mit sehr puritanischen Lebensweisen. Doch trotz allem, ich hörte nur Worte der Dankbarkeit und Kommentare die besagten, dass der Film einer über unsere Gemeinschaft sei, dass er endlich die Wahrheit zeige über diese Behinderung und das sie alle mit uns auf unserer Couch sitzen würden. (Der rote Faden im Film sind Gespräche, die Tomasz und ich auf der Couch führen.) Das Wichtigste von allem war allerdings, dass unser Film die Gründung einer Stiftung beeinflusste, die sich der Erforschung von CCHS widmet [www.zdejmijklatwe.org/en/]. Wir sammeln derzeit Gelder, um Wissenschaftler zu unterstützen, die an Heilmitteln für diese Krankheit arbeiten!

Diese ganze Geschichte hat mir gezeigt, wie gewaltig Kunst sich eben doch auf die Realität auswirken kann. Natürlich ist mir bewusst, dass der Film standhafte Gegner hat. Ablehnende anonyme Kommentare erscheinen gelegentlich im Internet. Glücklicherweise kümmert uns das nicht. Wir beide, Tomek und ich, wissen was wir tun, wir wissen, dass wir alles in unserer Macht stehende für unseren Leo tun und wir sind der festen Überzeugung, dass wir mit uns selbst ehrlich umgehen müssen. Deshalb kümmern uns die Meinungen Fremder nicht so sehr.

Und was mein Coming Out betrifft, ich habe ihn vor allem auf meinem Blog www.leoblog.pl/en gemacht, den ich seit der Geburt meines Sohnes schreibe. Auch das hat mir ausschließlich Hilfe und Unterstützung gebracht. Er hat mich von der Geheimnistuerei befreit, mit der kranke Menschen oft leben. Für mich ist es einfacher, wenn alles klar ist; es gibt kein Geflüster, keine Gerüchte oder unangenehme Situationen. Krankheit gehört zum Leben.

Jens Pepper: Du hast 2016 damit aufgehört, die Texte auf leoblog ins Englische zu übersetzen. Zu viel Arbeit? Du hast jetzt zwei Kinder, um die du dich kümmern musst, dann die Fotografie und das Filmemachen, die Stiftungsarbeit, deine eigene Krankheit, einen Ehemann … das ist ein Programm für drei Personen.

Magda Hueckel: Ja, der Hauptgrund ist Zeitmangel. Ich denke auch darüber nach, die polnische Version zu beenden. Der Blog hat uns ziemlich geholfen – und ich glaube, nicht nur uns – aber Leo wird größer und die gegenwärtige Formel passt nicht mehr. Bisher konnte ich alles gut unter einen Hut bringen: den Blog ernsthaft gestalten und auch unsere Privatsphäre schützen. Aber über ein Kleinkind zu schreiben oder über einen heranwachsenden Jungen, das sind zwei verschiedene Dinge. Ich fürchte, dass der Blog eine Last für Leo werden könnte. Wie dem auch sei, ich denke darüber nach, das alles als Buch zu veröffentlichen.

Jens Pepper: ‚Unser Fluch“ wurde 2015 für einen Academy Award nominiert. Was dachtest du, als dich diese Nachricht erreichte?

Magda Hueckel: Ich gebe zu, dass diese ganze Sache wahnsinn war, eine echte Cinderella-Geschichte. Als wir den Film drehten, waren wir uns nicht einmal sicher, ob wir ihn jemals jemandem zeigen würden. Dann hatten wir uns dazu entschlossen, in die Vollen zu gehen und Tomek hatte begonnen, den Film bei verschiedenen Festivals einzureichen. Er hat dann mehr und mehr Preise gewonnen bis er schließlich einen im Rahmen der Oscar-Nominierungen gewann. Wir dachten, dass das lustig sei. Wir füllten also einen Antrag aus, in dem wir uns um eine Nominierung bewarben, brannten 50 Cds und schickten alles nach Los Angeles, in der Überzeugung, dass unser Oscar-Abenteuer damit beendet sei. Anschließend hatten wir überhaupt nicht mehr daran gedacht. Und dann kam, völlig unerwartet, die Mail, in der uns mitgeteilt wurde: „Hallo, wir freuen uns euch mitteilen zu können, dass ‚Der Fluch‘ auf der Oscar-Shortlist ist‘. Wir mussten dann noch ein paar Cds brennen und verschicken. Diesmal haben wir die Sache natürlich nicht vergessen und warteten auf die Ernennung der Nominierten. An dem Tag trafen wir eine ganze Reihe Filmemacher vom PISF [Polnisches Film-Institut] und jemand hielt uns via Telefon auf dem Laufenden. Als wir dann hörten, dass wir nominiert waren, dachte ich zuerst, dass das nicht wahr sein könne. Sie mussten es mir eingige Male wiederholen bevor ich schließlich wahnsinnig glücklich wurde. Es war ein verrückter und unwahrer Moment. Wir waren wie betäubt. Nach all der Verzweiflung landeten wir auf dem roten Teppich.

Jens Pepper: Vor ein paar Jahren hast du ein Text- und Fotobuch über deine Afrikareisen gemacht. Was bedeutet dir Afrika?

Magda Hueckel: Afrika ist meine große Liebe. Es hatte mich schon in meiner Kindheit fasziniert, lange bevor wir dorthin reisten. Ich bin viele Male zurückgekehrt, aber es hat lange gedauert, bevor ich meine Gefühle ausdrücken konnte, die Gründe benennen, warum ich so fasziniert bin, bevor ich eine visuelle Sprache gefunden hatte. Heute denke ich, dass das, was mich angezogen hat, das Atavistische ist, die Erinnerung an die Ahnen, die in Afrika noch sehr präsent ist. Das ist etwas, das mir nahe ist, aber auch vergessen, verloren, fremd. Mich fasziniert die afrikanische Spititualität, die Verbundenheit der Menschen mit der Welt, die Freundlichkeit, dieses tiefe Vertrauen in die nichtmaterielle Welt, die Rituale und die Authenzität. Afrika hat einen völlig andeen Blick auf die Welt, auf die Zeit, es hat andere Werte als die, die in unserer Welt vorherrschen. Solch eine Perspektive gibt dir einen Menge zum Nachdenken.

Jens Pepper: Was hat das alles mit deinem eigenen Leben gemacht? Hatten diese Erlebnisse Einfluss auf deine Arbeit? Ich kann es mir vorstellen. Auch das Theater ist etwas, das oft merkwürdig erscheint und fremd in bekannter Umgebung wirkt, das dem Publikum Fenster in eine andere Welt eröffnet, zu vergessenen oder verschütteten Ritualen, zu fremdartigen Gedanken etc. Ich kann mir vorstellen, dass du dich in der Theaterwelt so wohl fühlst, weil du dort ähnliche Gefühle erleben kannst, wie du sie in bestimmten Regionen Afrikas und bei bestimmten Erlebnissen dort hast. Wie ich es verstanden habe, bist du schon nach Afrika gereist bevor du damit begonnen hast, als Theaterfotografin zu arbeiten, oder? Oder war es genau anders herum, dass deine Verbindung zur merkwürdigen Welt des Theaters – noch zu Studentenzeiten – dich geöffnet hat für afrikanische Rituale, Lebensweisen und Geschichten?

Magda Huekel: Reisen – nach Afrika – und Theater, das sind meine Welten, seit Kindheitstagen. Natürlich hatte ich sie zuerst in meiner Vorstellungswelt erlebt, in Spielen und schließlich in einer immer realeren und tiefergehenden Art. Es ist lustig, aber mit deiner Frage hast du mich daran erinnert, dass ich an dem ersten Tag nach meiner ersten Afrikareise zum ersten Mal in ein Theater ging, um dort zu arbeiten, allerdings noch nicht als Fotografin. Im Grunde wurden beide Welten von mir gleichzeitig entdeckt. Und über all die Jahre blieb ich in ihnen. Sie haben sehr viele Gemeinsamkeiten. Theater hat seinen Ursprung in vergangenen religiösen Kulten und obwohl es heute an einem völlig anderen Ort angesiedelt ist, kann es immer noch ein Weg zu einem spirituellen Erlebnis sein, zumindest bei bestimmten Arten von Theatern. Religiöse Rituale in Afrika an sich haben viel von ihrer ursprünglichen Form beibehalten, sie sind authentisch, total, sie wirken manchmal wie moderne Performances. Die im Theater und bei afrikanischen Ritualen verwendeten Instrumente sind ähnlich. In beiden gibt es Masken und Kostüme um Metamorphosen möglich zu machen, die es erlauben, eigene, persönliche Grenzen zu überschreiten. In beiden Fällen erleben teilnehmende Personen eine Bewusstseinänderung, Schauspieler und Medien erleben Gefühle, die nicht ihre eigenen sind, oder vielmehr entdecken sie unbewusste Gefühlswelten in sich selbst. Es gibt dort eine große Empathie. Theater und religiöse Rituale sind Fenster in eine andere Realität, zu einer nicht erfassten Wahrheit, die sich manchmal nur für den Bruchteil einer Sekunde offenbart und die häufig schwer in Worte zu fassen ist. Ich denke, dass Afrika mich sprituell geöffnet hat.

Jens Pepper: Welche Länder, welche Regionen, welche Begegnungen haben dich bisher am meisten in Afrika fasziniert?

Magda Hueckel: Auf jeden Fall gefällt mir Westafrika am besten, wegen der Kultur. Mali und Benin sind meine Lieblingsländer. Großartige Musik, Handarbeiten, Kultur. 98% der Menschen in Benin folgen der Voodoo-Religion. Ihre Zeremonien haben mich benommen gemacht, diese Maskeraden, die Opferrituale, die ekstatischen Tänze, die Besessenheit durch Geister. Spititualität durchzieht und bestimmt das gesamte gesellschaftliche Leben. Unglücklicherweise kann sie auch eine Quelle des Missbrauchs sein, so wie andere Religionen auch.

Jens Pepper: Du sagst, Afrika habe dich für Spiritualität geöffnet. Ist dir Spiritualität wichtig in deinem Leben oder bist du lediglich fasziniert von ihr? Wie sieht es mit der Spiritualität in der katholischen Kirche aus? Du bist immerhin in einem katholischen Land aufgewachsen. Hat dich die katholische Spiritualität beeinflusst?

Magda Hueckel: Es begann mit einer Faszination für Spiritualität und Rituale und am Ende hatte sich meine Art Realität wahrzunehmen verändert. Ich erinnere mich daran, dass mir ein Zulu Sanoma einmal erzählte, dass die Menschen im Westen durch den Zivilisationsprozess ihre Fähigkeit verloren hätten, Kontakt zur unsichtbaren Welt aufzunehmen, dass sich ihre Intuition abgestumpft hätte. Das hat mich nachdenklich gemacht. Ich habe in Afrika Dinge gesehen und erlebt, die sich schwer auf rationale Art und Weise erklären lassen. Und selbst, wenn es möglich ist, verlieren sie dadurch. Ich bin ein großer Anhänger der Wissenschaften, aber ich bin der tiefen Überzeugung, dass unsere rationalen Werkzeuge, die wir benutzen [um Dinge zu verstehen], zu primitiv sind für so manch ein Mysterium. Ich denke, dass meine Faszination für afrikanische Spiritualität ihren Ursprung in dem inneren Bedürfnis hatte, die eigene Wahrnehmungsmöglichkeiten zu erweitern, auch um Ordnung zu finden. Ich habe viel dadurch gelernt, dass ich Afrikaner beobachtet habe. Ich schätze ihre Bescheidenheit, ihre Fähigkeit Dankbarkeit zu fühlen, die Akzeptanz. Der katholischen Kirche war ich vor allem in meiner Kindheit und als Teenager ausgesetzt. In der Grundschule hatte jeder den Religionsunterricht besucht. Ich erinnere mich an Gefühle der Schuld, der Angst und unglücklicherweise an eine Menge für mich unbegreifliche Rituale. Heute ist die Kirche in Polen sehr politisch, was ich völlig ablehne. Ich habe in Afrika an christlichen Ritualen teilgenommen und sie waren vollkommen anders als hier, voller ekstatischer Energie.

Jens Pepper: Wir könnten leicht mit unserer Konversation fortfahren aber ich denke, dass wir sie jetzt beenden. Der Leser, der dich hier durch die Fragen und Antworten ein wenig kennenlernt, hat ja die Möglichkeit tiefer in deine Arbeit einzutauchen, wenn er deine Homepage besucht. Deshalb sag mir doch bitte zum Schluss, was deine Pläne für 2018 sind. Wird es ein neues Buch geben? Wird es eine Ausstellung geben, vielleicht sogar in Deutschland? Oder wirst du gar mit etwas vollkommen Neuem beginnen?

Magda Hueckel: Ja, ich lade alle Leser gerne zu einem Besuch auf meiner Homepage www.hueckel.com.pl ein. Ich habe für kommendes Jahr eine Menge Pläne. Neben zwei Filmen werde ich auch mit einer neuen Serie von Selbstportraits beginnen, die dann in der ‚Body dyzmorphic adoration‘-Ausstellung zu sehen sein werden, die ich mit der Malerin Małgorzata Wielek Mandrela vorbereite. Ich werde auf mich selbst schauen im Kontext meiner Erkrankung. Ich kehre zu den für mich faszinierenden Themen Körperlichkeit und Deformation zurück. Ich möchte die Tabuisierung von Krankheiten herausfordern, die Wahrnehmung und Stigmatisierung von kranken Menschen. Es wird die neunte Serie von Selbstportraits sein und ich denke auch über ein Buch darüber nach und halte Ausschau nach einem Verleger. Und was eine Ausstellung in Deutschland betrifft, gute Idee!

Klaus Picher fotografiert von Florian Rainer

Magda Hueckel wurde 1978 in Polen geboren. Sie studierte Bühnenbild und Fotografie an der Fakultät für Malerei und Grafik der Kunstakademie Danzig. Zunächst als Bühnenbildnerin aktiv. Seit ca. 10 Jahren Theaterfotografin in Polen. Zusammen mit ihrem mann Tomasz Sliwinski drehte sie den Dokumentarfilm „Our Curse“, der 2015 für einen Oscar nominiert war. Hueckel lebt in Warschau.

Dieses Interview erschien erstmals in dem Buch „Gespräche über polnische Fotografie“ von Jens Pepper (Klak Verlag Berlin, 2017, ISBN 978-3-943767-39-1)

www.hueckel.com.pl

www.nytimes.com/video/opinion/100000003489430/our-curse.html

Foto links: Magda Hueckel

„Die vielen Jahre in Deutschland haben mir einen neuen Blick auf Polen ermöglicht.“ – Ein Interview mit Katarzyna Mazur von Jens Pepper

Katarzyna Mazur - aus der Serie Anna Konda

Jens Pepper: Du wirst seit 2015 wahrscheinlich immer zuerst auf dein erfolgreiches Buch ANNA KONDA angesprochen, wenn du zu deinem Werk befragt wirst. Ich mache es jetzt nicht anders, denn es ist ein so schöner Einstieg in eine Konversation. Hat dich der Erfolg damals eigentlich überrascht?

Katarzyna Mazur: Ich hätte nie damit gerechnet, dass das Buch so erfolgreich wird, zumal ich nach meinem Abschluss nicht gleich geplant hatte, meine Arbeit zusammen mit einem Verlag als Buch herauszugeben. Das war alles sehr spontan. Als ich das fertige Buch dann in meinen Händen hielt, war das aber ein schönes Gefühl. Das Buch wurde auch gleich auf der Paris Photo nominiert und war sieben bis acht Monate später komplett ausverkauft. Calin [Kruse, der Verleger von dienacht publishing] hat da eine tolle Arbeit geleistet. Wenn ich zurückblicke, denke ich manchmal, dass dieser Erfolg für mich ein bisschen zu früh war. Gleichzeitig war es aber auch das Beste, was mir nach dem Abschluss passieren konnte. Dafür bin ich bin dankbar.

Jens Pepper: Wie hat sich der Bucherfolg ausgewirkt? Hast du Einladungen zu Festivals bekommen, hat es dir Ausstellungen gebracht und wurde in der Presse viel über dich berichtet?

Katarzyna Mazur: ANNA KONDA wurde zusammen mit anderen auf der Paris Photo nominierten Büchern im Rahmen einer Wanderausstellung gezeigt und zwar in Schweden, beim Landskrona Fotofestival, beim Łódź Fotofestiwal, beim Riga Photomonth und in Amsterdam. Es wurde auch beim analogueNOW-Fotofestival in Berlin gezeigt und eine weitere Präsentation plus artist talk folgten in Warschau in der Leica Gallery 6×7. Die Bilder aus der Serie wurden auch ein paar Mal ausgestellt, auch schon bevor das Buch fertig war: in Berlin, in Łódź und in fünf Großstädten Indiens. Und die Fotos wurden in der gedruckten Ausgabe des Stern veröffentlicht.

Es wurde auch in der Presse, vor allem online, viel darüber berichtet. Das Buch hat ein paar sehr schöne Rezensionen bekommen und es gab weitere kleine Auszeichnungen wie „one of the Best Photo Books of the Year“ in dem Onlinemagazin photo-eye sowie „one of the Most Beautiful Photo Books from the New East“ im Calvert Journal. Vor kurzem hat auch die polnische Kunstzeitschrift Contemporary Lynx mein Buch erwähnt. Viel gutes Feedback habe ich auch von Fotografen und Sammlern bekommen, die mein Buch kaufen wollten oder es bereits getan hatten. Über solche persönliche Nachrichten habe ich mich jedes Mal sehr gefreut.

Die Bilder aus der Serie wurden auch online viel gezeigt und ich habe ein paar Interviews gegeben, was an sich natürlich super war. Der Nachteil war, dass die Fotos weltweit, aber wirklich weltweit kopiert bzw. geklaut wurden und oft in einem Kontext gezeigt wurden, den ich als unangebracht empfand. So habe ich schnell alle Seiten der Online Medien, auch die brutalen, kennengelernt.

Jens Pepper: Wie bist die auf die Idee gekommen, Anna Konda und ihren Female Fight Club in Berlin Marzahn zu dokumentieren? War es das schräge Thema an sich, das dich reizte? Gab es ein Interesse an archaischen Handlungen? War es Sensationslust? Was hat dich veranlasst, hier als Fotografin einzusteigen?

Katarzyna Mazur: Das Thema Sport war schon früh in meinen Arbeiten präsent. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich darin, dass Sport, Zeichnen, – später abgelöst von der Fotografie – , und Musik meine Jugendzeit geprägt haben. Ich hatte Tischtennis, später dann Tennis trainiert, aber irgendwann kaum mehr Zeit dafür. Es war für mich natürlich, dass ich mich mit dem Thema auseinandersetze und so habe ich unterschiedliche Sportarten fotografiert: Armwrestling, Boxen, Rugby, Fußball. Wobei ich den Fokus meistens auf die Frauen gelegt habe. Es hat mir auch immer Spaß gemacht, mich mit Themen wie Bewegung und Dynamik zu beschäftigen.

Im Fall des Female Fightclubs war es das, wie du sagst, schräge Thema, das mich reizte. Noch lange bevor ich den Club entdeckt hatte, sah ich irgendwo die Bilder der russischen Fotografin Maria Turchenkova, die einen Fight Club in Moskau – nur für Männer – dokumentiert hat. Die Bilder waren sehr stark, manche brutal und sie haben mich sehr beeindruckt. Ich muss zugeben, dass mich solche Themen reizen. Parallelwelten. Ich liebe es neue Welten zu entdecken. Dabei ist mir natürlich klar, dass ich genau so gut meinen Nachbarn aus dem Erdgeschoss fotografieren und seine Geschichte erzählen könnte.

Es kommt immer darauf an, wie du etwas erzählst. Und du musst ein wirkliches Interesse an einer Sache haben. Den Female Fightclub in Berlin hatte ich also irgendwann einmal entdeckt. Ich fand es ziemlich schräg und teilweise auch furchtbar, was ich da auf deren Webseite gesehen habe. Aber ich dachte mir, wenn ich so etwas noch nicht gesehen habe, dann gibt es auch andere, denen es genauso geht. Das war zu der Zeit, als ich ein Thema für meine Abschlussarbeit suchte und so habe ich mich für den FFC entschieden. Ich hatte das Gefühl, dass ich dort zu meinen Bildern kommen könnte, wenn es mir gelingt, das Thema richtig umzusetzen. Nach dem ersten Treffen mit Anna Konda wusste ich aber auch schon, dass ich dafür schnell meine Komfortzone verlassen muss, da das sonst nicht funktionieren würde. Diese Herausforderung und den Kampf mit mir selbst – denn manches, was ich dort sah, habe ich als verstörend empfunden – fand ich spannend. Und obwohl ich eigentlich keinen Sport als Thema für meine Abschlussarbeit haben wollte, habe ich mich dafür entschieden. Letztendlich ist es aber auch keine richtige Sportgeschichte geworden.

Jens Pepper: Wie haben die Frauen eigentlich reagiert, als du mit deinem Anliegen zu ihnen kamst?

Katarzyna Mazur: Zuerst habe ich Anna Konda angeschrieben und einen Termin ausgemacht. Sie ist in den Medien präsent, deswegen war das für sie auch keine Überraschung, dass jemand mit einer Kamera vorbeikommen wollte. Sie dachte aber am Anfang bzw. sie war es gewohnt, dass da jemand kommt, schnell ein paar Bilder macht für einen Artikel und fertig. Ich hingegen musste ihr klar machen, dass ich öfters und über längere Zeit kommen wollte. Außerdem war ja eine große Abschlussausstellung geplant und später auch ein Buch. Zum Glück hat alles geklappt und ich glaube, dass wir beide viel von unserer Zusammenarbeit profitiert haben. Ich hatte mein Projekt im Kasten und dank der Online-Veröffentlichungen hat der Female Fightclub noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Problematisch war es eher mit Kämpferinnen, die aus anderen Ländern nur für einen Kampf mit Anna Konda kamen. Die hatten keine Ahnung, wer ich bin und warum ich Fotos machen wollte. Ich musste also jedes Mal auf ihr Einverständnis hoffen, nachdem ich mich ihnen vorgestellt hatte. Bis auf einer Kämpferin, ausgerechnet aus Polen, haben aber alle sofort zugesagt und waren mir gegenüber auch sehr offen. Trotzdem war das alles für mich neu, also jemanden so intim zu fotografieren ohne dass ich diese Person kenne, ohne vorher irgendwelches Vertrauen aufbauen zu können. Das war aber mein Problem; ich musste einfach meine Grenzen austesten und selbst herausfinden, wie weit ich gehen konnte.

Jens Pepper: Hast du selbst mal als Kämpferin ausprobiert?

Katarzyna Mazur: Nein, obwohl mich eine Kämpferin fast gezwungen hatte. Ich stand immer mit meiner Kamera da, die mir als perfekte Ausrede diente, um nicht mitmachen zu müssen. Und abgesehen davon, dass die Kämpfe sehr kurz waren und ich mich nur aufs Fotografieren konzentrieren wollte, ist dieser Sportart eher nichts für mich. Mir reicht da Tennis völlig aus.

Jens Pepper: Du hast in Thorn deutsche Philologie studiert, bist dann aber nach Berlin gezogen, um an der Ostkreuzschule von 2011 bis 2014 Fotografie zu studieren. Was hat dich weggeführt vom ersten Berufswunsch und weshalb waren dann Berlin und Ostkreuz dein Ziel?

Katarzyna Mazur: Mein erster Berufswunsch war die Fotografie, der Weg, der dahin führte, war allerdings ein bisschen länger. Als ich noch in der Schule war, so zwei bis drei Jahre vor dem Abschluss, hatte ich gerne Sprachen gelernt. Ich hatte sogar kurz überlegt Germanistik oder Anglistik zu studieren. Aber die Leidenschaft für Fotografie war letztendlich größer. Also habe ich mich entschieden, in diese Richtung zu gehen. Damals gab es aber in Polen nicht viele Schulen bzw. Studiengänge, in denen man Fotografie, vor allem Reportage, studieren konnte. Und es war auch nicht leicht, einen Platz zu bekommen. Ich habe mir also nach dem Abitur ein Jahr frei genommen um mich vorzubereiten. Mein größter Wunsch war die Filmhochschule in Łódź. Die andere Schule, die mich interessierte, war die Akademie der Künste in Posen. In beiden Fällen wurde ich jedoch abgelehnt. In Posen war es ganz ganz knapp. Ich musste also entscheiden, was der nächste Schritt sein sollte. Meine Eltern, obwohl sie mich in meiner Entscheidung unterstützt hatten, haben damals gesagt, ich solle jetzt vielleicht doch etwas ‚Normales‘ studieren und Fotografie als Hobby betreiben. Und so kam ich zurück zur Germanistik. Meine Mutter ist übrigens Deutschlehrerin und ich hatte einen ganz guten Einblick in diesen Beruf. Aber mir war ganz klar, dass ich niemals Lehrerin werden würde. Trotzdem ging ich nach Thorn, wo ich sogar eine gewisse Leidenschaft für die deutsche Sprache entwickelte. Ich wollte das Beste aus der Situation machen und so viel lernen wie ich nur konnte. Ich lese auch gerne und ich glaube, dass ich die einzige in meinem Jahrgang war, die tatsächlich jedes Buch, das Pflichtlektüre war, gelesen hat. Mir hat es wirklich Spaß gemacht, Gedichte und Erzählungen aus dem 19. Jahrhundert zu lesen. Ich fand Rilke super und vieles anderes auch. Außerdem habe ich mich intensiv mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt. Das hat mir auf gewisse Weise die Augen geöffnet und mich letztendlich von Stereotypen den Deutschen gegenüber befreit. Im dritten Studienjahr gab es dann die Möglichkeit, im Rahmen des Erasmus-Programms, an einem Studentenaustausch teilzunehmen. Ich wollte das unbedingt machen und ging ich für ein Jahr nach Potsdam. Gleichzeitig hat mich aber die Fotografie weiterhin interessiert. Während des ganzen Studiums in Thorn und Potsdam habe ich fotografiert, meistens Reportagen und Portraits, aber auch ein bisschen Architektur. Lustigerweise habe ich meine erste kleine Ausstellung dann mit diesen Architekturbildern gemacht.

Während dieser ganzen Zeit, um einigermaßen up to date zu bleiben, habe ich mir Bücher über Fotografie und Fotozeitschriften gekauft. Eines Tages, ich weiß nicht mehr wie, habe ich von einem Tag der offenen Tür an der Ostkreuzschule erfahren. Diese Schule war mir vom Namen her bekannt und ich wollte mir das unbedingt einmal anschauen. Das Profil der Schule hatte mich angesprochen und dieses Gefühl ausgelöst … nun, es war einfach der Moment in meinem Leben, in dem ich dachte: ‚Ich will noch mal mit Fotografie anfangen, so richtig anfangen‘. Ich ging erst noch einmal zurück nach Polen, um meine Bachelorarbeit zu verteidigen, was auch ganz gut lief. Direkt danach musste ich aber entscheiden, ob ich den Master in Germanistik mache wollte oder nicht. Meine Eltern waren nicht glücklich darüber, aber ich ging einfach aus dem Gebäude raus und habe mich für Fotografie entschieden. Ein halbes Jahr später wurde ich an der Ostkreuzschule angenommen und dank meiner Sprachkenntnisse war es für mich keine große Sache nach Berlin zu ziehen.

Jens Pepper: Gibt es eigentlich viele polnische Fotografen und Fotografinnen in Berlin? Hast du da einen Überblick?

Katarzyna Mazur: Ehrlich gesagt hab ich da keinen Überblick. Diejenigen die ich kenne, bewegen sich in anderen Bereichen, z.B. in der Modefotografie. Die haben ganz anderes Netzwerke. Ich habe neulich eine Bekanntschaft mit einem deutsch-polnischen Fotografen gemacht, der auch an meiner Schule war; da haben wir uns ein wenig ausgetauscht. Ich weiß aber nicht, wie viele andere polnische Fotografen und Fotografinnen hier in Berlin sind.

Jens Pepper: In deiner Bildserie NO ONE LOVES YOU LIKE I DO zeigst du Portraits einiger deiner Verwandten sowie atmosphärische Aufnahmen häuslicher Umgebungen, von denen ich annehme, dass es die von den Portraitierten sind. Der Titel bezieht sich aber gar nicht auf die dir nur genealogisch nahestehenden Personen, denn soweit ich es verstanden habe, kennst du diese Menschen eigentlich gar nicht, sondern auf deren Gefühl ihrer Heimat gegenüber, den Beskiden, die, im Südosten Polens gelegen, zu den ärmsten Regionen des Landes zählen. Kannst du mir etwas zu dieser Serie erzählen, wie sie entstanden ist, was sie für dich bedeutet?

Katarzyna Mazur: Die Bilder sind noch während meines Studiums an der Ostkreuzschule entstanden. Zu der Zeit musste ich ein Thema für meine Abschlussarbeit finden oder zumindest eines vorschlagen. Ich hatte damals ein paar Ideen und eine davon war eine Geschichte über die Holzkohlehersteller im Süden Polens. Wie sie dort leben, völlig abgeschottet vom Rest der Gesellschaft, das hat mich schon immer fasziniert. Außenseiter, Einzelgänger… wie ‚anders‘ als alle anderen muss man sein, um als Außenseiter zu gelten? Diese Frage hat mich schon früher beschäftigt, nicht zuletzt habe ich in meiner Bachelorarbeit in Germanistik über Andorra von Max Frisch geschrieben. Ich wollte also wissen, wer diese Leute, diese Holzkohlehersteller sind, wie ihr Leben aussieht, wie ist es, wenn man komplett alleine mitten im Wald lebt und das nächste Dorf ein paar Kilometer entfernt ist?

Ich fing also an zu recherchieren und mir wurde schnell klar, dass es fast nicht möglich sein würde, diese Leute zu finden, ohne das mir jemand vor Ort hilft. Zusammen mit meinem Vater sind wir nach Bieszczady gefahren, wo auch meine Verwandten wohnen. Wie du schon erwähnt hast, waren mir diese Leute eigentlich fremd, weil ich sie entweder noch nie gesehen hatte oder nur als ich sehr klein war. Das Projekt war also ein guter Anlass, sie endlich mal richtig kennen zu lernen. Ich hatte ihnen bereits vorher von meinem Anliegen erzählt und ein entfernt verwandter Cousin, der sich mit der Umgebung wie kein anderer auskennt, sollte mich zu den Holzkohleherstellern führen. Leider ist das nicht so gut gelaufen, wie ich es mir erhoff hatte, denn die Region hatte sich im Laufe der Jahre verändert und es gab nicht mehr so viele Orte an denen Holzkohleherstellung betrieben wurde, auch wegen eines neuen Umweltschutzgesetz. Das Holzkohlegeschäft befand sich inzwischen zu einem großen Teil in der Ukraine. Der Cousin brachte mich zwar zu einer Gruppe von Köhlern, aber die waren sehr misstrauisch mir gegenüber. Ich konnte die Öfen fotografieren, aber die Leute auf gar keinen Fall. Später hab ich erfahren warum. Viele von denen hatten eine kriminelle Vergangenheit bzw. Hintergrund und versteckten sich dort mitten im Gebirge. Für viele war es eine bewusste Entscheidung dort zu leben und sie wollten nicht gefunden werden. Ich hatte also keine andere Wahl als meine Kamera wegzupacken.

Am gleichen Tag hatten wir dann aber noch einen weiteren Köhler besucht, den mein Cousin kannte. Er hieß Olek, das ist die Abkürzung von Aleksander, und er ist es, der auf einem der Bilder zu sehen ist. Wir hatten einen selbstgemachten Kirschlikör dabei, den wir dann alle zusammen tranken. In diesem Moment war für mich plötzlich die Begegnung an sich sehr viel wichtiger als das Fotografieren. Anfangs hatte ich ja noch fotografiert, aber ab da wollte ich mich nur noch auf das Gespräch einlassen. Am Ende hatte Olek mir alles Gute gewünscht und mich umarmt. Als ich merkte, dass er sich meinen Namen gemerkt hatte, war ich zutiefst berührt, auch wenn das jetzt nach nichts Besonderem klingt. Für mich war das eine der schönsten Begegnungen mit einem fremden Menschen, die ich je hatte. In dem Moment fühlte ich, dass ich irgendwie dazu gehöre, zu dieser ganzen Wildnis, zu meinen Verwandten. Das war meine erste Suche nach meinen Wurzeln. Plötzlich war es für mich nicht mehr so wichtig, diese eine konkrete Geschichte über Holzkohlehersteller zu erzählen. Ich wollte einfach meine letzten Tage in der Region genießen, auch mit dem Wissen, dass ich einige dieser Leute wohl nie wieder sehen würde. Fotografisch habe ich damals nur einfache, kleine visuelle Notizen gemacht und ich weiß, dass diese Arbeit nicht vollendet ist. Aber für mich war es eine erste Auseinandersetzung mit dem Begriff Heimat.

Jens Pepper: Was bedeutet Heimat für dich?

Katarzyna Mazur: Heimat bedeutet für mich Vertrautheit. Es ist für mich nichts, das irgendwie messbar wäre. Natürlich kann man Heimat z.B. auf eine Sprache / Muttersprache reduzieren oder auf den Ort, an dem man aufgewachsen ist, auf die Kindheit und Jugend, also die Zeit, wo man sich als Mensch zu definieren beginnt. Heimat ist ein Gefühl von Sicherheit, die uns vor allem die Leute um uns herum vermitteln. Und es ist ein Gefühl von Freiheit. Es kann auch eine Landschaft sein, ein Fluss, ein Baum, von dem man behauptet: ‚das ist meins‘. Diese Denkweise versuche ich aber zu vermeiden, denn es handelt sich nur um Begriffe, um Grenzen, die keinen offenen Blick auf die Realität zulassen, denn die Realität ist fließend. Als ich nach Berlin zog, spielte es für mich kaum eine Rolle, wo ich herkam. Ich hatte schnell ein neues Netzwerk aufgebaut, einen Freundeskreis gefunden der international war. Ich hatte hier kaum nach polnischen Kontakten gesucht, denn ich wollte nicht nur als Polin wahrgenommen werden, denn es ist nicht das, was mich als Person ausmacht. Ich hatte doch gar keinen Einfluss darauf, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin.

Die vielen Jahre in Deutschland haben mir einen neuen Blick auf Polen ermöglicht. Jedes Mal, wenn ich das Land besuche, habe ich ambivalente Gefühle. Orte, die ich aus meiner Kindheit kenne, sind mir vertraut und fremd zugleich. Da gibt es inzwischen eine neue Generation von Schauspielern, Künstlern und Politikern, von der ich entweder keine Ahnung habe oder nur ganz wenig weiß. Eine neue TV Serie, die meine Oma mit großem Interesse verfolgt… darüber kann sie sich mit mir leider nicht mehr unterhalten. Ich nehme das Land anders wahr. Allein die Architektur; Dinge, die für mich vorher selbstverständlich waren, sehe ich nun mit einem frischen Blick. Dadurch sind für mich die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Polen und Deutschland oder auch anderen Ländern sehr viel deutlicher geworden. Generell fühle mich in Berlin wohl und ich würde sagen, dass diese Stadt meine Heimat geworden ist. Vor allem was die Freiheit oder Sicherheit betrifft. Ich fühle mich definitiv sicherer hier als in Polen, wo eine Politik betrieben wird, mit der ich nicht einverstanden bin. Auf der anderen Seite macht es mir aber auch wieder mehr Spaß mich in Berlin mit der polnischen oder deutsch-polnischen Community austauschen. Ich bin offen und lerne hier viele Menschen mit ganz verschiedenen kulturellen Hintergründen kennen. Es kann passieren, dass ich mich mit einem Japaner verbunden fühle, obwohl ich noch nie in Japan war. Ich habe einmal gehört, dass es nicht darum geht, verwurzelt zu sein, sondern vielmehr darum, zu wissen, dass man Wurzeln hat.

Jens Pepper: Gibt es weitere Themen, die dich als Fotografin in Polen reizen würden?

Katarzyna Mazur: Mich interessieren Fragen zum Thema Entfernungen – emotionalen und geografischen. Welche Auswirkung haben sie auf uns? Wie entstehen emotionale Distanz und Nähe und wie gehen wir damit um? Ich musste auch den Begrifft ‚Familie‘ für mich neu definieren. Wie stark identifizieren wir uns selbst mit der eigenen Familie oder wie kommt es zu einer Entfremdung? Im Moment arbeite ich zum Beispiel an einem Projekt über meinen Bruder. Wir beide befinden uns in einem ähnlichen Moment im Leben, wir mussten beide ähnliche Probleme und Ängste überwinden, ohne dass wir uns dabei direkt unterstützen konnten. Ich dachte, das ist ein guter Ausgangspunkt, um unser Verhältnis von Schwester und Bruder unter die Lupe zu nehmen. Welchen Einfluss hatte unsere gemeinsame Kindheit auf mich und wie nehme ich ihn als Mann wahr, nicht nur als Bruder?

Die Frage nach konkreten Themen werde ich noch offen lassen. Jedes Mal wenn ich in Polen bin sammle ich Ideen. Und obwohl sie noch nicht reif sind, weiß ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich wieder an einem oder mehreren Themen über Polen arbeiten werde.

Jens Pepper: Glaubst du, dass es leichter ist als polnische Fotografin oder als polnischer Fotograf international erfolgreich zu sein, wenn man im Ausland, also nicht in Polen lebt?

Katarzyna Mazur: Es ist sicherlich leichter im Ausland Kontakte zu knüpfen, vor allem in Berlin, aber ich würde nicht sagen, dass es dadurch leichter ist erfolgreich zu sein. Viele polnische Fotografen und Fotografinnen, die in Polen leben, sind international erfolgreich. Die Fotoszene ist dort übersichtlicher, was natürlich seine Vor- und Nachteile hat. Es kommt darauf an, welches Publikum man erreichen möchte. In unserem digitalen Zeitalter kann man letztendlich seine Bilder weltweit von überall her irgendwo hinschicken oder einreichen, da ist völlig egal wo man lebt. Hier in Berlin bin ich nur eine von vielen Fotografen und Fotografinnen. Da spielt es gar keine Rolle, dass ich aus Polen komme.

Jens Pepper: Migration war Thema deiner Serie über eine Vietnamesin, die 1984 nach Berlin kam. Was hat dich an dem Schicksal von Frau Roan interessiert?

Katarzyna Mazur: Die asiatischen Communities haben mich schon immer fasziniert und durch meinen Freundeskreis – einer meiner engsten Freunde kommt aus Südkorea – ist mein Interesse an Asien noch größer geworden. Mich interessieren die Kulturen, die Lebensstile, der Umgang der Asiaten mit Menschen, die Fähigkeit, sich über kleine Dinge zu wundern, die von uns Europäern oft gar nicht beachtet werden. Man ist sich der Welt und seiner selbst bewusster. Es gibt diese innere Gelassenheit, die ich in der westlichen Kultur oft vermisse.

Aber zu deiner Frage: ich hatte großes Glück, Frau Roan kennenlernen zu dürfen. Ihre Enkelin ist Regisseurin und hatte mir viel über die Vergangenheit ihrer Großmutters und deren Leben in Vietnam erzählt. Frau Roan hat unglaublich viel durchgemacht, man kann sich das nur schwer vorstellen. Irgendwann wurde uns klar, dass wir ihre Geschichte festhalten müssen. Wir wollten einfach nicht, dass sie in Vergessenheit gerät. Wir haben viele Interviews mit ihr gemacht und sie in ihrem Alltag begleitet. Ich habe dabei zwei Kameras benutzt; eine zum Fotografieren, die andere zum Filmen. Aus dem Material ist dann ein intimes Porträt einer Frau, Mutter und Großmutter entstanden, die ihr ganzes Leben für die Familie geopfert hat.

Ich weiß nicht, ob ich mich nach ANNA KONDA tatsächlich einem Thema widmen wollte das sehr viel ruhiger ist. Vielleicht war das auch die Sehnsucht nach meinen Großeltern in Polen, an die ich oft denke, seit ich in Deutschland wohne. Ich kann den Gedanken nicht loswerden, dass, wenn ihnen etwas passiert, ich nicht dabei sein kann. Als ich jünger war, haben meine Großeltern viel von ihrer Vergangenheit erzählt, aber ich hatte nicht genug Geduld oder Interesse, mir diese Geschichten anzuhören. Jetzt würde ich sie mir genau anhören, aber meine Großeltern bleiben diesbezüglich während meiner Besuche eher still und genießen die kurze Zeit mit mir. Wir kommunizieren über Blicke oder ein Lächeln… Natürlich unterhalten wir uns auch, aber meistens über das Gleiche.

Jens Pepper: Sind deine Großeltern dann nicht ein Thema für dich, für deine Fotografie?

Katarzyna Mazur: Als Fotograf setzt man sich mit Themen auseinander, die mehr oder weniger bewegen, auch wenn es nicht immer direkt auf den Bildern zu sehen ist. Ich denke in letzter Zeit viel über den Tod nach bzw. über den Verlust derjenigen, die in meinem Leben immer da waren. Im konkreten Fall sind das meine Großeltern. Meine ganze Kindheit und Jugend sind mit ihnen verbunden. Wir hatten ein ganz enges Verhältnis und jetzt wird mir immer klarer, dass sie eines Tages nicht mehr da sein werden. Mein Großvater war der sportlichste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe. Durchtrainiert und fit hatte er mit 81 Jahren noch Tennisunterricht gegeben, bis er vor einem Jahr einen Unfall erlitt. Seitdem ist sein Allgemeinzustand schlechter geworden. Er ist praktisch zu einem ganz anderen Mensch geworden, der auf die Hilfe von anderen angewiesen ist, was ihn sicherlich zu schaffen macht. Jedes Mal, wenn ich in Polen bin, versuche ich mir so viel Zeit wie möglich zu nehmen, um bei meinen Großeltern zu sein. Ich möchte natürlich nicht, dass sich jedes Treffen für mich wie ein kleiner Abschied anfühlt, aber ich will diese Zeit bewusst nutzen. Wir tendieren dazu, Dinge als selbstverständlich zu nehmen, auf die wir keinen Einfluss haben. Vor kurzem ist hier in Berlin meine Nachbarin verstorben, die am 1. Juli ihren 91 Geburtstag gefeiert hätte. Diese Nachricht kam sehr unerwartet, da ich mich noch ein paar Tage zuvor mit ihr unterhalten habe. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich Blicke auf ihre Haustür werfe und dabei denke, dass sie gleich rauskommen und wir dann miteinander reden würden bzw. ich würde zuhören, wenn sie mir noch einmal ihre Lebensgeschichte erzählt. Ich würde ihr eine Marmelade geben und sie würde darauf bestehen, mir eine Schokolade zu geben. Das gehört aber bereits zur Vergangenheit.

Jens Pepper: Hast du sie mal fotografiert? Ein Schnappschuss oder richtig portraitiert?

Katarzyna Mazur: Meinst du meine Großeltern oder die Nachbarin?

Jens Pepper: Die Nachbarin.

Katarzyna Mazur: Meine Großeltern habe ich beide zusammen mal richtig porträtiert, analog im Mittelformat. Von meiner Nachbarin habe ich einen Schnappschuss.

Katarzyna Mazur

Katarzyna Mazur. Studierte an der Ostkreuzschule für Fotografie und Gestaltung. Lebt und arbeitet als freiberufliche Fotografin in Berlin. www.katarzynamazur.com (Die Homepage wird derzeit überarbeitet und ist erst in ein paar Tagen wieder zu erreichen.)

 

 

 

 

„I found the young people so much more interesting in Poland than in London.“ – A conversation between Chris Niedenthal and Jens Pepper.

Foto: Chris Niedenthal

Jens Pepper: Since I am in Warsaw, and step by step gaining access to the city’s photo scene and to Poland in general, I see your photos in publications and hear of you as one of the country’s major photographers of the last few decades, focusing on journalistic and documentary photography. Many of your images also became well known abroad, for you worked for international magazines like Newsweek, Time and Spiegel, and in 1987 you were winner of a World Press Photo Award for a portrait of the General Secretary of the Hungarian Socialist Workers‘ Party János Kádár. When preparing for the interview I saw a little film about your 2015 solo exhibition opening at the Ney Gallery with another important Polish photographer, Tadeusz Rolke giving a short introduction to the show. The gallery was packed with visitors, many of them of younger generations, and lots of more people seem to have waited outside to get access to the gallery space. This is what happens to stars or to very popular persons. How do you see your own role in Polish photography?

Chris Niedenthal: How on earth am I supposed to answer this question? For some reason my role in Polish photography has become that of a middle-aged representative of the somewhat old-school way of photographing reality. Of course, I was much younger when I took most of my photographs from the “bad old days”, meaning the time of communism in Poland. The point here is that these photographs have gained in documentary value precisely because of this time gap. In other words, I had to wait 30 or so years for my photographs to be regarded as good documentary photography. But perhaps the most important point – made by many people – is that I came to Poland as an outsider. Sure, my background was Polish, but I was born in London, England five years after the end of World War Two, and I lived in London for 22 years before going to Poland in 1973 – ostensibly for 2-3 months – but eventually staying there until today.

Of course I was lucky to have come to Poland shortly (well, several years first passed) before really interesting things were beginning to happen. In October 1978 a Polish Pope was chosen and bang! – I was the right guy in the right place at the right time. Then the historic strike in the Lenin Shipyard in Gdansk in August 1980 and bang! – there I was again, gaining experience in news photography of really important events.

By then I guess I was already part of the photographic world in Poland, but I had the added advantage of not having any problems with getting hold of western-quality colour films. For Newsweek, and later TIME, film was the smallest expense of our work, unlike Polish photographers who had great problems working on decent colour stock. That is why most of my work has been in colour, colour slide film to be precise as American magazines preferred to work with transparencies. So, for people used to seeing photographs from socialist days in black and white, my colour photographs appear to be different.

As to the crowd that came to my exhibition opening in January 2015, well, that was almost embarrassing, as a lot of people held it against me that they could not get in because of the crush, and the long line of people patiently waiting in the wind and rain. This was in large part due to the opening being announced on Facebook, a sure sign of the times when it comes to generating interest in virtually anything!

Jens Pepper: You mentioned your migration from London to Warsaw in the early 1970s. I guess, at the beginning you were just interested in the roots of your family. What made you stay? Carreer opportunities? A love affair?

Chris Niedenthal: Well yes, I must admit that at the beginning there was a girl involved in all this! She created the impulse; I did the rest! Other than that, I was just curious as to what life really looked like in Poland. Up until 1973 I had visited the country only on holiday, and I knew that the real Poland wouldn’t be quite so happy-go-lucky in more normal times of year. But as to family roots – I don’t recall being all that interested in such things when I was in my early twenties. After the war, my father had no family left in Poland, while my mother had two brothers in Warsaw, plus their families. And career opportunities? A nice point, but surely more applicable to people who want to be lawyers, doctors, or businessmen. Was I looking for career opportunities? Of course not. I was 22 and a half years old, wanting to be a photographer and trying to find my place in the world, and up until then I had never really felt all that interested in life in England. It was all too normal there, and having Polish blood in me I never really felt completely British. So in London I had the problem of being not quite British and not quite Polish. Poland just seemed far more interesting for me. Not the communist system, of course, nor the economic system. But I just found the young people far more friendly and amenable. In those days, I admit, being a foreigner in Poland was to a certain extent “quite something”: you had a western passport, you had western currency, you could leave the country whenever you wanted. All those things that the average Pole did not have and could not do. I started taking photographs straightaway, and slowly but surely I found myself being drawn in to life behind the Iron Curtain. In short, I just found the young people so much more interesting in Poland than back home in London. Social life, despite – or in fact in spite of – all the problems, was much more intense – and I loved it!

I must admit that I never told myself that yes, I am going to stay here in Poland forever. I just stayed for longer and longer, got married, had a child, and then historical events took over and there was no point in leaving.

Jens Pepper: You studied photography in London and wanted to become a photographer. After deciding to stay in Warsaw, was it obvious for you that you would earn your livelihood as a photo journalist?

Chris Niedenthal: During my three years of studying photography at the London College of Printing (today it is called, I think, the London College of Communication or something like that) I was firmly resolved to become a photojournalist. During the course we had to try fashion, advertising, even a bit of filming – but all the time I knew that it was only photojournalism that interested me. My tutors, I suspect, knew that too, and knew that whatever they asked me to do, I would produce a photojournalistic version of it.

My plan, on arriving in Warsaw for what I thought would be an extended three-four month stay, was to simply take photographs of daily life, and perhaps try to do some stories that could be sold in the western Press. I knew very well that that wouldn’t be easy, as Poland was of no interest to people in the West, especially to people in England or America. So I had very little hope at first to earn a lot of money back then. On the other hand, Poland had a flourishing black market, especially in western currencies, so I knew that I didn’t have to earn all that much to be able to live a relatively comfortable life in Warsaw. If I managed to earn 50 or 100 pounds sterling per month, I could live quite well on that. Of course that worked while I was still a young bachelor with no draining financial ties!

So yes, for me it was pretty obvious that I wanted to earn my living as a photojournalist. But of course it was not easy. My parents, at first, helped me a little bit, or in fact quite a bit, but my Father had always had other ideas for his son – he had wanted me to study economics at university, so that I could eventually get a “real” job. Just for him, I did in fact apply for a university course in economics, but made sure during the necessary interview to appear that I had virtually no idea about the subject. I then applied for the photography course and was accepted.

Jens Pepper: So your parents were like all others in the world. They wanted you to become a respectable person with a decent job. But they had to accept, that you were about to become a photographer. What did they say when you finally ended up in Warsaw behind the iron curtain? Was this an even bigger shock for them?

Chris Niedenthal: As to what my parents thought about me being behind the Iron Curtain – I was lucky. In the post-war Polonia community in London there were some parents who refused to visit, or even let their children visit Poland in the 60s and even 70s. They said that that would only happen when Poland became free of communism. Something, of course, that nobody really expected to happen any time soon. My parents were easier-going regarding visits to Poland. Their first visit – with my sister and myself – was in 1963; they had waited for Stalin to die, and then waited a few years more. After that year, I started spending most of my summer holidays in Poland, and they came too, quite a few times. So when I told them I was trying to go to Poland for a somewhat longer time in 1973, they did not appear to have a problem with that. I guess that they never expected that I would stay there for much longer! Nobody in their right mind would want to do that, was the common feeling then.

They must have realised that my wanting to be a photographer was not the best idea for a steady job. But they never tried to stop me from going. As I mentioned before, my Father was not particularly happy about my choice of profession; as a pre-war prosecutor, he was a serious man, and had little artistic flair in him. But at no point did he try to make me change my mind. What they thought about my choice after the first six months after I had gone, then a year and so on – I have no idea. They never, ever said “come back to London, son”, and I love them for that. I would not be surprised if they had indeed thought it a bit odd that I was living in their old country that was governed by communists, and where they no longer could, or wanted to live. But strict as they were, or at least as my Father was, they never said a word.

Jens Pepper: What were the first photos in Poland that earned you money? And how and to whom did you first try to sell your photos in order to earn a living?

Chris Niedenthal: After finishing college, I was offered the job of a general dogsbody in a small London agency, Features International. As the name implies, it was not a news agency, but one producing and selling so-called features, or interesting, colourful little stories of no great value but that the colour press all over the world liked in the 1970s. The agency was owned in part by one of my favourite tutors at college, and he immediately offered me the job when I got my diploma. When I went to Poland, I was hoping to sell whatever material I could think up, through them. The first photo story I shot for them in Poland (actually while I was in my last year at college, so I was in Poland on holiday then) was one about an outdoor beehive museum in Swarzedz, near the city of Poznan. Sounds silly, doesn’t it!? But it sold worldwide. They had lovely old beehives, in the forms of famous buildings or animals, so it always made a nice colour spread in various magazines. The first sale was, I think, to the Observer Magazine in London, then to something called TITBITS, a somewhat more downmarket magazine. Then, when I was already living in Warsaw I remember shooting my favourite story about a monks’ fire brigade in Niepokalanow monastery. This was a prewar establishment that ran a Catholic publishing house, so with all the paper, inks and machines there, they needed a fire brigade. That was really a lovely story that I personally sold to Paris Match during a visit to France, and then the London agency took my photographs and again, sold them worldwide. Can you imagine all these monks – in their black habits – running around in prewar firemans’ helmets, with big axes on a wide leather belt around their stomachs…. Another good story was the famous salt mine in Wieliczka, near Krakow. Again, a wonderful and most interesting place. And that story sold pretty well too.

Jens Pepper: What camera did you use at that time?

Chris Niedenthal: Ever since my last year at college, I was a Nikon man. First it was a simple Nikon F, then I bought the Photomic prism with lightmeter. I later added a somewhat cheaper Nikkormat (though I had the Japanese version that was called the Nikomat. So those were the two cameras I used for my first years in Poland. Later came the FE, then the FE2, and also an FM, usually with winders (early motordrives). Next came the beautiful Nikon F3 with motordrive, and later the F4. I always used a separate lightmeter, never trusting the camera meters when shooting on colour slide film. At first I had the British Weston Master meter, but eventually graduated to the Minolta Flashmeters.

Jens Pepper: Where did you get your film material between 1973 and 1989?

Chris Niedenthal: Film material……that was always a problem living behind the Iron Curtain. You could not just go into a shop and buy good Kodak films – either colour or black and white – off the shelf. In Poland all you could get were East German Orwo or Polish Foton films. The black and white ones were perhaps bearable, but the colour ones were a disaster. Kodak or Agfa films could sometimes be bought in so-called “komis” shops – these were shops that sold assorted goods brought in privately from the West. But the prices were usually astronomical, simply because they were based on the black market exchange rate for dollars, pounds or deutsche marks. And that was many times higher than the official exchange rate. Also, one could never be sure how and where such films had been kept, and for how long. Professional films should have been stored in refrigerators, but this was of course impossible. I was luckier in that, having a British passport and a Polish multi-entry visa, I could always go to West Berlin or even London to stock up on film, but of course that was not a trip you could do just at the drop of a hat. This stopped being a problem when I started working for Newsweek, and later for TIME. Then, I could just send a telex (anyone remember telexes?) to New York requesting say, 60 rolls of Kodak Ektachrome 200 ASA and 40 rolls Ektachrome 400ASA, and in a couple of days this could picked up at the cargo terminal at Warsaw airport, having been sent there by air freight. No questions asked. For the big American magazines, film was the cheapest part of a photographer’s expenses.

So, to answer the question properly: in 1973 until I started to work full-time for Newsweek in, say 1979-80, I had to buy my own films usually in West Berlin or London. After 1980 and until at least 1989 my films all came from New York, courtesy of Newsweek and later TIME.

Jens Pepper: Did you develop the films yourself, or was it done by some laboratory in Warsaw or elsewhere?

Chris Niedenthal: In the 1970s I often used to develop black and white films myself; I even rented a primitive darkroom for some time. I never developed colour films myself. For Kodak colour slide films, the state-run Central Photographic Agency (CAF) in Warsaw had a processing lab, first for the Kodak E-4 process and later for the E-6. So my colour slides could be processed there. However, they often had some sort of technical problems resulting in various colour casts. It could be blue, or magenta, or whatever. A bit like Picasso’s colour periods. So one never knew how the films were going to come out. When I no longer had my own b/w darkroom, I used to have prints made by a girl who worked in the Communist Party newspaper, Trybuna Ludu. She was always happy to earn some extra cash.

On the other hand, once I started working for the American press, I had to ship my films (by air freight) undeveloped. They insisted on doing the processing in their own trusted labs in New York. Or if the films were Kodachromes, then they had to go to Kodak somewhere in the States. Their insistence on getting unprocessed film was understandable: their labs were better, and by getting the films undeveloped, they knew that they would be the first magazine to have that particular material. Such exclusivity was very important to them, as competition between TIME, Newsweek and US News & World Report was very intense.

Jens Pepper: When you gave away the undeveloped film rolls, you also gave away the control of the images. Did you have any influence on the picture selection for a story?
Another question I have is about the ownership of the images. Did you get the slides or negatives back or were they kept at the magazines archives? Who was and who is the owner of all this material?

Chris Niedenthal: I had absolutely no influence on the selection of my photographs for a story in either Newsweek or TIME. In reality, I had no idea whatsoever as to what my photographs were like after shooting them and then sending off the undeveloped films. I had no idea whether my exposures were correct, whether I was focussing correctly, or even whether my photographs were good or bad. I could only see what was later published in the magazines. I did, however, try to write the best possible captions for the films before shipping them off to the US. I knew very well that the picture editors in New York had very little idea as to what exactly I was shooting, in terms of the classical „who, what, where, and when” details. So I made sure that I included as much information as possible on our special caption envelopes into which we put our undeveloped films. That way they at least knew what they were getting.

As to ownership of the slides and negatives. The American system was very good: everything you shot, no matter who – and how much – had paid the expenses, the ownership of the images belonged to the photographer. If any photograph made the cover of the magazine, then they had slightly more rights to the image. Otherwise, everything belonged to the photographer. The magazines could, however, hold on to some of the photographs to keep in their archives, and would then pay you again if they were used. This was especially well developed at TIME Magazine, with the TIME-LIFE Picture Collection, so everything worked well. The rest of my material would be sent back to me, though during martial law in Poland I begged them not to send them back to me in Warsaw as they could be confiscated by the authorities. Instead, I asked that they send them to my Mother in London who, I am sure, was eventually not too happy to receive big boxes of slides, with nowhere to keep them!
However, I also had an arrangement with the Black Star agency in New York, that they would get the remains of my photographs and could sell them around the world. That seemed to work pretty well too.
Eventually, when I was no longer working for the big magazines, I asked that everything they had be returned to me, and that is what happened. So I have the original slides, and I am the owner of all the images.

The end result of all this is, that after all those years of not seeing my work after shooting it and sending it off, I am not a very good editor of my own work. Because I never really had to do it, I find it difficult to choose my pictures. Perhaps this is true of all photographers, or at least of news photographers, but I do think that the lack of seeing my photographs immediately has affected my ability to choose well. So I am quite happy to let others choose for me, for example when I am preparing a book.

Jens Pepper: Did you have more and maybe even more serious encounters with the police and the secret police after having started to work for the big political magazines in the US, especially during the time of martial law?

Chris Niedenthal: I think all of us foreign correspondents accredited in Poland, knew very well that we were being watched in some way or another. The secret police knew what we looked like; they knew where we lived, and probably knew lots of different snippets of information about our lives. If we knew that a demonstration was being planned, during martial law and afterwards too – they knew that information too of course. So, I could be idly walking around in the area where the demo was planned, maybe an hour or so ahead of time, and some secret policemen would come up to me and ask for my documents, after which they would tell me to leave the area. On other occasions, they would simply gather all the foreign journalists, photographers and TV crews off the streets even before the demo had started, and would cart us all off to the nearest police station where we would have to sit out the demo in a cramped room. Outside the “Wujek” coalmine in Katowice, where several miners were killed in the first days of martial law, I was stopped by militiamen as soon as I took out my camera – this was several months after the massacre – and was driven off to the main police station in the city where I was held for 3 or 4 hours and questioned by a typical good policeman/bad policeman duo – and then freed. With hindsight, I can now see that they treated us foreign journalists much more “delicately” than anybody else. They were quite happy to frighten us a bit, threaten us a bit – but I knew that Polish photographers caught in such situations, and who had no official backing from state media, could be held for 48hrs, have their cameras and film confiscated and end up being in deep trouble. The police who stopped me always demanded I give them the films I had shot, so in time I developed a habit of hiding the important rolls of film in an out-of-the-way pocket, but would have several special films in another pocket that I would give them. They were special in the sense that they either had nothing on them, or just some useless shots of anything that I had passed on the street that day. Because they would have to waste time processing them, I knew that they were happy enough to take what I gave them. I don’t think they ever tried to pat me down or thoroughly search my bag.

Photographing demos was always difficult for us during and after martial law. If you were on the street with the demonstrators, nobody liked you – you could be attacked from all sides. The demonstrators, if they didn’t know you, would be highly suspicious of anybody with a camera. The secret police who in all probability were also mingling in the crowd, could easily single you out and pull you into a doorway and cause you a bit of trouble. And of course the ZOMO riot police, if they saw you, would try and get you straightaway. And that could be painful. So if possible, I must admit that I usually tried high positions, meaning photographing from windows.

A few years ago I applied for and received my secret police dossier, and was rather saddened by the fact that it had very little information about me, if any at all, during martial law. I can see now that they must have been busier with other people and problems, so it looks as though they left us alone during those nasty times. When I picked up the document, I was rather amused when I saw the cryptonim the secret police had given me when they started a file on me in the mid 1970s. They called me “Kret“, that in Polish means „The Mole“. I liked that!

Jens Pepper: You told me how you got hold of film material, but how did you manage to get the exposed film rolls out of the country, especially during martial law times?

Chris Niedenthal: As an accredited foreign correspondent, I usually had no problem getting my films out to New York or wherever. With a little bit of paperwork, one could just go to the cargo terminal at the airport and put the film packet, as air freight, onto the next flight to New York. There were not that many direct flights to America then, so I often put the packet onto a Lufthansa flight to Frankfurt, from where it would be put on the next flight to JFK. Another good route was via London or Paris, as in those days the supersonic Concorde still flew. So from either of those two cities the films would get to New York very quickly. The magazines used to close their editions on the Friday night, US time, so that was always our deadline for getting the films to the Picture Desk.
Martial Law, imposed in December 1981, was a different problem altogether. Poland was suddenly cut off from the world on December 13th. No telephones, no telexes, no flights. How to get my films out, then? Photography on the streets was forbidden at the beginning of martial law, so shooting anything at all was problem Number One. Number Two, an even bigger problem, was getting the films out. Sure, I could just jump in my car and drive to West Berlin. But would I be able to get back into Poland afterwards? Petrol was rationed then too, so would I be able to drive all the way to Germany? How would the Polish and East German border guards react to a journalist leaving the country; what materials would he be carrying? Even if the Polish guards would let me through, the East German guards were even worse, and could cause me trouble. Trains were still running, so I decided that that was the only relatively safe way out – but, not wanting to leave the country myself then, I would have to find a passenger willing to take the risk of smuggling out some films. Not easy! I got to the station in time for the evening train to West Berlin, but there were, quite naturally, not many passengers and the ones I did approach refused to help. The train was about to leave in a few minutes so, in desperation I jumped into it and ran through the compartments. And suddenly I came across a young West German student who agreed to help. I gave him the packet of films (10 rolls, if I remember correctly), plus a note with the telephone number of the Newsweek bureau in Bonn. Call them when you get home – and they’ll do the rest, I told him. Now everything was in the hands of the gods. Would he get out of the country without being searched? Would he phone Newsweek when he got home? Or would he get out OK, and then just sell the films to Stern Magazine or whatever, and that would be it. I know, it is not very nice to suspect things like that, but who knew then what could happen? Anyway, it turned out that everything worked. He was a wonderful guy – did everything perfectly. He got home, somewhere at the other end of West Germany, called Newsweek in Bonn, they sent a motorcycle courier across the country to him – and everything reached New York in time.
I just wish I had made a note of his name or even just the place where he lived. I would love to thank him for what he did, all those years ago. Thank you, young German student!!

Jens Pepper: So you had problems to get films out of the country during martial law period. How much less film were you able to send abroad in comparison to former times? And I add this question right away. When the officials did not want you to photograph demonstrations and the like and to send your photos to magazines in the US etc., why did they allow you to pick up the films which were sent to you at the airport? They obviously new about your work, wanted to obstruct it, but still let you have all the working material? That is somehow schizophrenic, isn’t it?

Chris Niedenthal: It’s difficult to say whether I sent out fewer films during martial law than in normal times. I remember that the first packet that went via the West German student, was 10 rolls, then a few days later a few more, and so on. Please bear in mind that these were not normal working conditions, so my usual level of about 10 films per working day could not be upheld. As to the officials not wanting me to photograph demos and such things, then I can only say that as a group, the accredited foreign correspondents living and working in Poland were a “known entity” for the authorities – meaning that they knew about us, kept an eye on us, but did not necessarily obstruct us. I say this now, with hindsight; at the time, I don’t remember thinking that way. I think they basically turned a blind eye onto whatever it was we were doing. But again, I can say that today. If they had really wanted to control our work, they could have demanded that all films be processed in Poland, and that we could only send out processed films that had been checked by them. But I doubt if they even thought of that, and could not have been bothered about it if they had. Perhaps, if martial law had been imposed in East Germany, or in say, Romania, then maybe the Stasi or the Securitate would have demanded that. They were far more ruthless. But Poles, it appears, can be somewhat more laid back when it comes to rules and regulations, and certainly so when it comes to carrying them out. So schizophrenic – no. Just lazy, perhaps!!!

Jens Pepper: You mentioned that you sometimes did not see your published photos for years. Newsweek etc. did not send you copies of their magazine to your address? Or did you not want to have the magazines to be sent to you, so you would not get into trouble? But the secret police knew about your work, so it would not have made any difference, would it?

Chris Niedenthal: I did not see my processed films for years – not my published work. The latest editions of Newsweek, and later on TIME Magazine, were always shipped in to the Warsaw bureau every week. The only exception was the first few weeks of martial law when we all had to keep a low profile and anyway, all flights to and from the country had been cancelled. So whatever was published in the magazines I could see pretty fast – except, as I said, during the first weeks of martial law.

Jens Pepper: Was it entirely your choice what you were going to photograph for Newsweek and Time or did they ask you to do certain stories? Or was it a mix of both? What about the travels to East Germany, Russia, Czechoslovakia and the like; were these commissioned assignments?

Chris Niedenthal: After the ground-breaking strike in the Lenin Shipyard in Gdansk in August 1980 I think I could say that I was given carte-blanche by Newsweek to photograph “anything that moves” so to speak! Communications between Warsaw and New York were a pain, it was difficult to call them on the phone, and we mainly used telexes to keep in touch. But that was not a machine one had at home, so even with that there was always a time delay between getting messages and answering them. So I just had to keep my ear to the ground to keep up with everything that was happening in Poland then, and then I could just shoot what I thought was worth shooting. Meaning everything, in fact! Just getting hold of information was not that easy, as of course we had no mobile phones then, telephones were often tapped by the secret police, there was no internet, Facebook or anything like that. So human contact was the only way to find out anything. And, may I add, what a great aid human contact is! I had a network of friends and colleagues working for the foreign press to whom I would go to find out the latest news. A simple, if time-consuming system – but it worked. Also, most of the western foreign journalists here had these little Sony short-wave radio receivers so that we could listen to the BBC World Service or whatever. It was quite funny really: in a restaurant or on a street corner, all the journalists would suddenly stop what they were doing when the news services came on every hour. So, for example it was 6pm in the evening and suddenly all the radios would be whipped out of bags or pockets, and all you could hear were the famous tones of the BBC…. They always seemed to know what was happening. Ah, those were the days!
So, to answer your question: during the heady days of late 1980 and most of 1981, I would shoot everything I could for Newsweek – no questions asked. Later, working for TIME Magazine from 1985, I became their photographer covering Poland, Eastern Europe, the Balkans and a few years later, the Soviet Union as well. Stories in these countries were coordinated with the correspondent, who at first lived in Warsaw, and then in Vienna where TIME Magazine had its Eastern European Bureau. So stories in Poland, Czechoslovakia, Hungary, Romania, Bulgaria, Yugoslavia were all done with the TIME journalist. East Germany was not actually covered by this bureau, so for TIME Magazine I only got in there in October 1989, when the GDR celebrated its 40th anniversary. A month before The Wall came down!. But I did manage to spend some time in East Germany in 1984, when Geo Magazin in Hamburg asked me to help out with a special edition they were planning on that country. They had trouble getting their own photographers in there, so they asked me whether I could try to get in on my own. And I did. Most interesting! As for the Soviet Union, then that was also not part of the Eastern Europe bureau’s territory. Moscow had it’s own TIME bureau, and I worked according to what they were planning to do. And that meant that I could spend a lot of time there, for several weeks at a time, because getting a western photographer in there was always a problem, but I was accredited there as a foreign correspondent and had a multi-entry visa.

Jens Pepper: Tell me about your prize winning photo of János Kádár.

Chris Niedenthal: My photograph of Hungarian communist leader Janos Kadar was my first (and in fact, only) assigned cover photo for the European edition of TIME Magazine.
In 1986 the magazine was planning to do a special cover story on Hungary, and its specific version of what the West called “Goulash Communism”, so they sent their Editor-in-Chief plus their correspondent to Budapest to cover the story and hold an interview with Janos Kadar. I went along for the ride, photographing whatever was necessary for the story, and was also present at the interview.

Shooting photos during interviews is only good if you just want a “talking head” sort of photo. The editors, however, wanted a more formal portrait. During their talk with the Hungarian leader, he told them that his favourite painting was one that hung in his office and showed Lenin playing chess. They asked me to go back to Budapest and photograph the man with that particular painting.
So I did. Not having portable studio lighting at the time, I borrowed an outfit from a Polish friend and flew to Budapest. When I was let into Kadar’s office I saw that the painting was hung relatively high up, and I knew that Kadar was not particularly tall. I decided to opt for a lighting set-up typical for photographing paintings, i.e. equal lighting from both sides, so that the painting would be well-lit. Kadar was then led into the room, and I tried to place him in a position below the painting that showed both him and the artwork. Not easy – he was not tall enough. I had no ladder with me, and his assistants didn’t have anything like that either, so I begged them to bring me something he could safely stand on. What they came up with surprised me, as I was in an atheist, communist office and they brought me something that looked suspiciously like a prayer kneeler! I asked Mr Kadar to stand on that, which was not that easy as he was an elderly person and was probably frightened of toppling over. Still, he stood bravely on it, and I shot off a roll of film. Each shot was almost identical to the first – he never changed his expression. He was nervous, and I was nervous, so i did not see then that he was slightly sweating, with the damp showing beneath his eyes. I should have asked him to pull out his handkerchief and wipe his face. But I did not think of it then.
And that was it. One roll of film, thank you, goodbye.

When TIME received the film they saw the damp patches under his eyes and laughingly said that they looked like tears and that he was crying for his sins as the so-called “Butcher of Budapest” in 1956. Still, when they ran the photo on the cover, the “tears” had been retouched.
I had no idea that TIME had entered the portrait into the World Press Photo competition, so I was rather surprised when I suddenly got a telegram in 1987, notifying me that I had won a prize in the competition. My first reaction was “Really? For what?”. Still, it was a very pleasant surprise!

Jens Pepper: Another important photo in your career is the one with the armored military vehicle in front of a Warsaw movie theater on the day in 1981 martial law was declared in Poland. On the outside of the building you see the advertising for the film that was just presented in this cinema: Apocalypse Now by Francis Ford Coppola. This photo became quite iconic. And how important it still is could be seen only a few days ago when the reigning PiS government misused this photo without your permission for an event organized on the occasion of the 35 anniversary of the declaration of martial law during the Peoples Republic. What does this photo mean to you and why is it so important for you that the present Polish government does not use it against your will?

Chris Niedenthal: This – as you call it – “iconic” – photograph was of course pure luck, as is usually the case with such images. It was really a simple case of putting two and two together, in the flash of a second. A bit of wordplay, a bit of symbolism, and realising that whatever else I was going to shoot that day, I had to take this photograph. In the end it was a simple case of finding a staircase with a window looking out over the street, in order to avoid knocking on peoples’ doors to ask if one could shoot from their windows. In that area of Warsaw where the Moscow Cinema stood, one could never be sure who lived there as the feared Interior Ministry was just around the corner. I could not photograph from street level, as this was forbidden from Day One of martial law. It had to be a window shot, and of course the photo is better because of that – the angle is just right and the perspective from above puts everything in the right place in the right order. The name of the cinema that shows what the Poles thought of Moscow and the USSR then; the name of the film, Apocalypse Now (Czas Apokalipsy in Polish) and of course the APC, armoured personnel carrier with soldiers milling around it. Perfect. Martial law in a nutshell! The photo means a lot to me of course, as for the Poles it has become the symbol of that dark period starting in December 1981. And it’s a good feeling to have at least one good photograph under my belt!

As to the present government using this, or in fact any of my photographs for any of their own purposes, is for me a complete no-no. Considering what I think of these people, I have no intention of allowing them to come anywhere near my photographs! Their view of the world is so different from my view, that it would be difficult for our ideological paths to cross. Their office in Opole wanted to use this photograph for an invitation and poster relating to ceremonies commemorating the start of martial law 35 years ago, under the patronage of a young deputy Justice Minister who, as far as I’m concerned, is not the ideal choice to hold such a high position. And that made my hair stand on end. They didn’t bother to ask my, or my agency’s permission to use the photograph, so I put out a statement that this was unlawful and that I had no intention of allowing any present government office to use any of my photographs. I was pleased to see that the media buzz around this made the young minister withdraw his patronage from the event – so that was a good thing. Contrary to media reports that someone would apologise to me – no one has in fact done so. From newspaper reports I heard two rather curious excuses made by the office worker in Opole who had used my photograph: a). that because the photograph had been used so many times over the years, that it was OK to use it without permission or even payment, and b). that anyway, she had made no money herself by using this photo, so what was all the fuss about? By the way, the name of the political party is Law & Justice. Apart from all that, there was no official reaction from PiS – but neither did I expect any. The word “sorry” is not, I suspect, in their vocabulary.

Jens Pepper: During your career you met some important people of recent Polish history. Which encounters were the most impressive to you? How did you get along with Lech Walesa?

Chris Niedenthal: I would say that every news photographer worth his salt ends up meeting important people during his career. In your question you mention Lech Walesa and yes, I guess he was the person who made the strongest impression on me, perhaps because I was fortunate enough to have met him at the very start of his public life. That was the second day of the strike in the Lenin Shipyard in August 1980, and I managed to see his negotiation skills that very day when he was talking to the shipyard director, not to the high-powered Party officials who came soon afterwards. I guess I felt a soft spot for him ever since then. I visited him quite often later on, in his family apartment in Gdansk, and, like all of the foreign press, was on first name terms with him. But did I get to know him closely? No, not at all – I was always careful not to get too close to anybody then, neither dissidents, politicians, nor diplomats. I was always aware that as a journalist I had to keep a neutral distance away from the people I was covering. My friends would argue that that was just my British upbringing, staying aloof from everybody, but I would argue with that! Whenever we meet, he always has some comment up his sleeve, the most memorable one being when I photographed him during the Winter Olympics in Salt Lake City when he turned to me and said: „You are not developing at all; I was an electrician, a strike leader, then a union leader, and President of Poland – yet all you do is take photographs!”. He was right. I liked him for that!
Pope John Paul II was also most impressive, on a very different level but, though I photographed him many times, I never had a one-on-one with him. But I loved his face – that sense of intelligence, friendliness, goodwill and that fatherly smile….
Poland’s first woman premier, Hanna Suchocka also made a very positive impression on me, though I never photographed her when she was the Prime Minister. I caught up with her later, in Rome when she was Poland’s ambassador to the Vatican, spending several days with her on a photo shoot.

Tadeusz Mazowiecki, Poland’s first non-Communist Prime Minister was also a very charming, though unassuming man but again, what can I say when I am given half an hour to spend with a busy man who would really be very glad to see the back of you because he has more important things to do. Being somewhat unsure of himself on a visual level, Mazowiecki had a quirk that caused havoc during a quick shoot because he would always roll his eyes upwards, and then, as if to make up for that, look downwards, Try shooting a quick portrait!

Jens Pepper: Looking back we can laugh, but I can imagine that you got quite nervous in a situation like the one with Mazowiecki about getting a good photo for the magazines.
Tell me, how did you experience the change of the political system in Poland and how did this influence your work?

Chris Niedenthal: Sure, we can all laugh about such situations while photographing busy politicians – but there is always the aspect of working up a nervous sweat while waiting for such a shoot to happen. You just never know which way things will go. I can well remember the time when I was supposed to have a quick photo session with West German Chancellor Helmut Kohl, who infuriated me (not an easy thing to do, may I add!) by making me wait several hours before I could shoot photos of him. Add to that his lack of English and my lack of German did not make matters any easier.

As to feeling the change in Poland’s political system in 1989: that is actually hard to describe right now, probably because I was so busy covering everything else in Eastern Europe at the time or just afterwards. Poland’s big jump set the ball rolling – Hungary, East Germany, Czechoslovakia, Bulgaria, Romania plus things happening in the Baltic states. I was extra busy that year, in fact, looking back at all my work from 1989 I can hardly believe I managed to cover and shoot so much then. Also, at that point I was still working from a Vienna base, so I was not in Poland all of the time. But I remember that what started to happen was that from a purely political story, the story turned into more of an economic story, so one had to shoot photos of all the street vendors and so on. Not all that interesting, really. And a bit later this turned into more of a business story, with private people starting businesses, making fortunes etc. Again, for me that was also not very interesting. And please remember that by the time it was East Germany’s turn to collapse in November 1989, I was standing under the Berlin Wall and in effect feeling that the rug was being pulled out from under my feet – meaning that since things had gone so far and the end of the GDR was beckoning, then I realised that my work for TIME magazine covering communism would be coming to an end. As it turned out, I still had a few more years with them but, as I mentioned before, the story was no longer so passionately interesting for me and I knew that sooner rather than later, this part of my work would end. Eventually it did end, and that of course opened a big void in my life, especially as I was still feeling the effects of being mentally burnt-out (did I ever mention that being a hard-working international news photographer is an exhausting job?) after the 1989 marathon. Luckily I teamed up with Der Spiegel for a few more years, so this somewhat cushioned my departure from photographing communism.

Jens Pepper: Did you stay in the news business or did you start to work on other aspects of photography?

Chris Niedenthal: Apart from what I shot for Der Spiegel in the early 90s, I did not do much in the way of news photography anymore. As a full freelance once again (I had been a contract photographer for TIME magazine, so I could not work for Newsweek at the same time) I could now accept assignments from both magazines, and that sometimes happened. But basically, by the mid 1990s I had run out of steam regarding strict news photography. I worked a bit for some of the new Polish magazines, and then was approached by an old colleague who had fled Poland in the 1980s and had run a small studio in Sweden. He felt the time was ripe to return to Poland and wanted a partner to open a studio in Warsaw – commercial and advertising photography. I said OK, let’s do it – though I had never been a studio photographer before except for my college days in London. We managed to rent an old, very big apartment in central Warsaw and set to work renovating it to meet the needs of a photographic studio. We put a lot of heart and soul – and hard work – into getting it ready, and for the next six years we tried to make a living as commercial photographers. For me that was no easy task, as for a photojournalist to be cooped up in a studio from 10am to 6pm was a very difficult, though certainly interesting, thing to do. I don’t know about our photography, but we became famous for our parties! We came up with a wonderful idea: One-night exhibitions of the unknown work of well-known people. If you weren’t invited, or you couldn’t make it that night – you never saw it. We persuaded quite a few famous people, rock stars, writers, singers, actors all of whom had their little, largely unknown hobbies on the side. They could show whatever they wanted, and our guests loved it! The press usually ran stories on these gatherings, and once we even had an honoured German guest, your present President, Joachim Gauck who, I must admit, was not President at the time!

So yes, we had a good time, we didn’t make all that much money, but it was all a great experience for me – to try and create photographs rather than just document what I saw before my eyes. As I said before – no easy task! I left to go my own way after 6 years, but have great memories of the time spent with my colleague.

Jens Pepper: You were very much photographing the demonstrations against the politics of the PiS government recently including the occupation of the Sejm (the protesters outside the parliament supporting the politicians inside). All over Europe you can see movement toward a new nationalism and toward protectionism, the raise of intolerance and more. Is the time getting more interesting again for a news photographer like you in these days?

Chris Niedenthal: Well, yes, I guess photographers should be getting ready to follow and cover the new wave of “The Force of Darkness” that seems to be enveloping more and more countries including, though we have to wait and see, the USA.

I cover whatever is happening here as much as I can, though really it is just for myself as I no longer have any outlet for my news pictures. I do sometimes pass them on to the Forum Agency here in Warsaw, as they represent my work, but I am neither as fast or as agile as their own photographers who cover the same events. So I do it to satisfy my personal need to carry on documenting life in this part of the world, or at least in Poland. I have done it for so long now, that I find it difficult to stop. And the second reason is that I am actually furious that the Poles have allowed themselves to be duped into voting into power a rightwing government that is getting closer and closer to doing what the communists used to do. Why they want to destroy all the good work that was done by their predecessors, I just don’t know. Of course not everything was good, but is it perfect anywhere? Their “idee fixe” appears to be a potent mixture of hatred and revenge; hatred towards all who don’t think the way they do, and revenge for all the lost elections they had before. Hardly a praiseworthy way to rule a country! They have successfully divided the country into two distinct political camps, but at the cost of demolishing virtually all national institutions. In addition, their actions and specific way of working means that Poland has lost virtually all the hard-earned standing and respect it had gained in the European Union over the previous years. So yes, while I would be happy to lead a somewhat calmer and easier life now, when I am no longer in my 30s or even 40s – I can see that there will be work to be done. I’m actually very moved when, during demos and rallies, people seem to recognise me and come up to me to shake my hand and thank me for all my work over the years, and to thank me for being with them once again! Photographers are usually anonymous, so this is actually a warm feeling, I must admit!

Jens Pepper: You told me that you are working on your archive. How big is it and is this a satisfying task after a long working life to see again what you have achieved?

Chris Niedenthal: My main work over the past few years has been to try and organise my photographic archive. But when I say “my” work I actually mean that of my amazing assistant, Julia, who knows how to do it – whereas I don’t. That’s because I belong to a small group of photographers who rarely managed to see what they had shot. Shipping undeveloped films to New York meant that I only saw what was published. Sometimes the colour slides were returned to me at my home address relatively quickly but even then I usually had no time to look at them because I was away on another assignment. So the unopened boxes of slides got piled up somewhere, taking space – a situation much-unloved by wives anywhere! During and after martial law I asked that my work be sent to my Mother in London, for safety’s sake, so then she, poor Lady, was soon inundated with boxes of slides piled under her bed, in her cupboards and so on. A situation much-unloved by mothers anywhere! The end result was that my basement in my present house in Warsaw became clogged with cartons full of little boxes full of slides. On hearing the loving words of my wife cooing in my ear “When you die, I’m going to throw all this out”, I decided that something had to be done. I couldn’t do it myself – I would wade into the basement, open a random box, look at some slides and say „Wow, I remember that! Did I really shoot that?” and then, not really knowing what to do next, I would put the slides back in the box and leave the room. So Julia is systematically looking through everything, not throwing anything away, putting slides into sleeves of 20 and then into filing cabinets. I always reckon there must me at least half a million slides and negatives in the archive. It must be something around that, probably much more. On a typical day of shooting I would usually use 10 films. If I worked, say, 100 days a year, that makes 1000 films, 36000 frames a year, remembering that each film had 36 shots on it. Over 10 years that would be 360000 pictures. Those were the high intensity years of course, and seeing as I have worked for more than 10 years, there should be a lot more images. But really, what’s the point of counting, as a large proportion of all those pix is junk or close to junk. Out of focus, moved, over or under exposed. Slide material was difficult to use, you had to be near-enough spot on with the exposure. Compared to today’s digital material and equipment, sensitivity was low, so in bad lighting conditions you would be in trouble and flash was disliked and rarely an option. And just think how many pictures photographers can shoot today, with the possibility of holding thousands of high resolution images on a small memory chip…..

But it actually is a wonderful feeling when you look at some of your old material, never before seen by you, and the memories come flooding back. This is what has been happening to me these past few months when I decided I would try to make a book out of my photos shot in the magical year of 1989. That really was an incredible year, not just for me but for all of Europe – and looking through the pictures I find it hard to believe I had time to shoot all that, in all those places, in all those countries virtually day in, day out, week after week, month after month. And just think of the luck I had, or hard-earned journalistic instinct, call it what you will – for example on November 9th 1989 when the Berlin Wall started to come down I was in Warsaw, covering Chancellor Kohl’s official visit to Poland when, in the evening news came of what was happening around the Brandenburg Gate in Berlin. Sure, I was as surprised as anybody. But, for some unknown reason, prophetic vision or whatever, in my pocket I had an air ticket for the 7am Interflug flight to East Berlin the next morning, so by 8-9am I was happily photographing everything I could see on the border between Berlin-Schönefeld airport and West Berlin, and a bit later in West Berlin itself. There were no other journalists on that flight, and Chancellor Kohl himself only managed to get back to Germany hours later. I mean, I’m no genius – but that day I was pretty pleased with myself. And my photo ran on the TIME magazine cover, worldwide. And that’s what photojournalists like!

Jens Pepper: Bosz recently published a huge book with lots of your photos. Your autobiography was also published in Polish (I hope it will be translated into English one day!) How importandt are books for you?

Chris Niedenthal: The Polish publisher BOSZ published my book of selected photographs 1973-1989 in 2014, and it is now in in its second printing. They also published my first major book 10 years earlier. And now we are planning a possible book about the incredible year of 1989 itself. And in 2011 the Marginesy publishing house came out with my autobiography, though I always find it embarrassing to admit to having written a book about myself. So my answer to your question about the importance books have for me – has to be yes, I place great importance in books. Meaning, of course, that I love coming out with books that are full of my photographs! In today’s world, this is what photojournalism is all about. Before, I was happy to be published in magazines all over the world. News magazines back in those days were important, people waited for them to appear on newsstands, usually on Mondays. TIME, Newsweek, Der Spiegel, Paris Match, Stern – these all used to be vital sources of intelligent information. With the advent of 24hr television news channels, and especially the rise of the internet, all that has changed. So the news magazines have changed, rarely for the better. To cut costs, they rarely send out photographers across the world at the drop of a hat. But there are concerned photographers everywhere who are very good, are willing to work, have great ideas, often find interesting ways of financing their dream stories – and where can they show their work? Sure, magazines will still sometimes run them, but the other outlets are books, galleries and so on. Not easy, but it can be done. So even though I had the honour of working for the big magazines towards the the end of the golden era of photojournalists – I must admit I enjoy the prestige of having books of my photographs published, if only for the purpose of documenting history. Because we, as photojournalists do just that. Without really realising it, we live and breathe history. We are there when things happen. Sometimes small things. Sometimes big things. And so I am proud to have been in most places when and where history was happening before my eyes throughout the 1980s. Those pictures had, to a certain extent, less meaning soon afterwards than they have now, 25, 30 years later. The photographs have aged of course, but they have also matured. And this is the moment when we turn into visual historians.

Jens Pepper: Who are the most interesting contemporary Polish news photographers in your eyes? And are you in touch with them?

Chris Niedenthal: I know several of the young, aspiring Polish photographers, and they are good, very good. Perhaps some of them are not quite so young anymore, they are certainly not in their twenties. But for me, they show the future of what used to be called “concerned photography”, and is now something I would call intelligent, personal photojournalism. They are the leading lights, the “angry young people” who come up with their own, well-thought out projects, find some way to finance them, and then produce books and/or exhibitions to show what they have done. Sure, this is certainly not typical newspaper photography – but it doesn’t have to be. It’s a whole level higher. Wojciech Grzędziński, Maksymilian Rigamonti, Filip Ćwik, Agata Grzybowska and many more. All very focussed young people, all very good photographers. I know them partly because I wrote about them in a monthly column in, of all places, the Polish edition of the business magazine Forbes. For over a year I would choose one promising or established photographer a month, take a simple portrait of them, and then write a few words about them – and then they’d have several pages of their photographs published. This was certainly not your typical business magazine section, but the Editor came up with this idea and managed to keep it going for quite a while. He deserves a medal for that!

Chris Niederthal ist ein polnischer  Fotojournalist mit britischen Wurzeln der seit Anfang der 1970er Jahre in Warchau lebt. Von dort aus hat er für viele Nachrichtenmagazine, wie Newsweek, TIME, Spiegel, Paris Match und Stern, über die ehemaligen Ostblockstaaten berichtet. Für sein Foto des Ungarischen Politikers Janos Kadar erhielt er 1986 den World Press Photo Award.

www.chrisniedenthal.com